Und während sie noch studierten, wie sie einen Weg finden konnten, den Hof unbemerkt und ohne mistrauische Fragen, zu verlassen, stand plötzlich Weihnachten vor der Tür. Die Langeweile verflog, denn nun hiess es vorbereiten. Plätzchen und Kekse mussten gebacken werden, Weihnachtsdekorationen gebastelt werden und das ganze Haus musste auf Vordermann gebracht werden. Schliesslich sollte es glänzen, wenn an Heiligabend die Verwandten auf Besuchkommen würden. Und den Weihnachtsmann wollte man ja schliesslich gebührend empfangen.
Auguste freute sich schon riesig auf Weihnachten. Zwar gab es bei ihr nicht so viele Geschenke, wie dies heutzutage bei den meisten Kindern der Fall ist, aber Weihnachten war trotzdem herrlich. Sie freute sich jetzt schon auf die Orange, die sie bekommen würde und auch auf die Tafel Schokolade, die höchstwahrscheinlich im Sack des Weihnachtsmann auf sie warten würde. Und sicher würde sie auch dieses Jahr wieder Wollsocken von einer Tante bekommen und wenn sie Glück hatte, würde sie ein schönes Buch bekommen. Oder vielleicht doch etwas zum Anziehen? Sie brauchte wiedereinmal einen schönen Wintermantel. Aber eigentlich war es ihr egal, wie sie herumlief, ein Buch wäre bei ihr mehr willkommen, denn damit konnte man etwas anfangen. Aber sie wusste, dass sie sich nicht allzu grosse Hoffnung auf ein Buch machen konnte, denn ihr Vater hielt nicht viel von lesenden Mädchen. Er meinte, eine Frau müsse Handarbeiten beherrschen und den Haushalt machen können und dann von ihm aus noch ein paar Geschichten kennen, die sie den Kindern erzählen könnte. Auf keinen Fall sollte sie aber gelehrt sein und mehr wissen, als ein Mann. Er selbst hatte die Volksschule gerade mal abgeschlossen, hatte aber die Aufnahmeprüfung für die Agrarfachschule nicht bestanden. Im Laufe seines Lebens hatte er seinen Hof und seine Familie auch ohne grosse Bildung durchbringen können, weshalb er Bildung, so lange sie nichts mit Bibel, Gott und der Kirche zu tun hatte, für unnötig hielt. Hatte die Bildung aber etwas mit der Religion zu tun, so war er hell begeistert davon. Er versuchte immer, seine älteren Töchter und seine Frau für den Gebetsverein zu begeistern. Er selbst war ein treues Mitglied. Die Frauen des Hauses nahmen zwar auch oft an den Treffen der Gromadki (Gebetsverein) teil, aber sie folgten den Predigten nicht ganz so mit Inbrust, wie der Vater. Sie waren eher etwas dem weltlichen zugetan.
So entbrannte auch jedes Jahr um Weihnachten erneut ein Streit zwischen der Mutter und dem Vater. Die Mutter wollte für das Weihnachtsfest einen geschmückten Tannenbaum in die gute Stube stellen, der Vater wollte von diesem heidnischen Brauch nichts wissen. Er meinte, sie könne zur Dekoration ja ein paar Tannenäste hinlegen, aber das ganze gebastel und die ganzen Girlanden und sowieso der Baum mit den Kerzen und Äpfeln sei überflüssig.
Bis jetzt hatte sich bei diesem alljährlich wiederkommenden Streit die Mutter immer durchgesetzt. Doch der Vater weigerte sich ab diesem Moment jedes Jahr sich in irgend einer Form an den Weihnachtsvorbereitungen zu beteiligen. Doch das störte die Frauen und den Opa nicht, denn so konnten sie ohne ständiges gemecker irgendetwas was sie taten seie unchristlich, die Vorbereitungen richtig geniessen.
Nun war der 3. Advent herangekommen und die Vorbereitungen gingen langsam ins Endstadium über. Eigentlich war alles schon parat nur der umstrittene Baum fehlte noch.
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