Sonntag, 20. Juli 2008

Kapitel 15: Die Sprachwissenschaftler

Doch Maria hatte sich getäuscht. Auch für sie war es nicht so einfach, bei den Professoren ein wenig Zeit zu bekommen. Sie hatte zwar promoviert und war somit in den Kreis der Gelehrten aufgenommen worden, hatte jedoch mit Sprachwissenschaft nichts am Hut, weshalb man sie dort nicht richtig kannte. Man hatte zwar schon von dieser bemerkenswerten Dame gehört, welche so gelehrt zu sein schien, doch hatte sie ihren Titel wirklich wegen ihres Geistes oder doch wegen ihrer Schönheit erworben?

Doch mit etwas hartnäckigkeit gelang es Maria, zu Herrn Otto Dempwollf vorzustossen. Dieser empfing sie überraschend freundlich. Nachdem er die Sätze auf ihrem Papier eingehend untersucht hatte, zuckte er mit den Schultern und meinte entschuldigend, dass es sich weder um Austronesische noch Afrikanische Sprachen handle. Dies schien ihm mehr in Richtung indogermanisch zu gehen, wobei es sich aber um zwei verschiedene Sprachen handeln müsse. Aber obwohl er ihr nicht weiterhelfen konnte, nannte er ihr drei Namen von Professoren, die ihr vielleicht weiterhelfen konnten. Alle drei seien allerdings nicht in Berlin anzutreffen. Zum einen verstehe sich Vilhelm Ludwig Thomsen aus Kopenhagen auf indogermanische Sprachen, zum anderen könne er aber auch Otto Schrader aus Breslau und Eduart Schwyzer aus Zürich empfehlen. Er anerbot sich sogar, allen drei Herren ein Telegram zukommen zu lassen, mit je einem Satz aus einer der zwei Sprachen. Zusammen gingen sie zum Postamt um die Telegramme aufzugeben. Maria bezahlte dafür, denn schliesslich gab sich der Professor ja ihretwegen die Mühe. Nach getaner Arbeit verabschiedete sie sich von Professor Dempwolff und machte sich auf in die Richtung des Hotels, in dem Auguste und Opa wohnten.

Als sie dort ankam, waren die beiden allerdings nicht zuhause, denn es war ja auch erst früher Nachmittag. Sie beschloss, sich in das Restaurant des Hotels zu setzten und gemütlich einen Kaffee zu trinken und Zeitung zu lesen. Vielleicht würden die zwei bald kommen.

Und sie musste auch gar nicht lange warten. Schon bald, sie hatte unterdessen 3 Tassen Kaffe getrunken, kamen Auguste und Opa müde ins Hotel zurück. Schon wollten sie die Treppe zu ihrem Zimmer hochgehen, als Auguste gewahrte, dass Maria im Restaurant sass und las. Obwohl sie völlig erschöpft war, sie waren den ganzen Tag zu Fuss in Berlin herummarschiert, um Geld zu sparen, brachte Auguste die Kraft auf, um ihren Schritt noch einmal zu beschleunigen und zu Maria zu eilen. Opa keuchte hinter ihr her.

Maria erzählte ihnen, was sie herausgefunden hatte und dass sie jetzt auf die Antwort der drei Herren warten müssten. Sie hoffte, dass bis morgen oder übermorgen eine Antwort eintreffen würde, wusste aber auch nicht, wass sie machen sollten, falls keine käme. Dann wäre wohl der letzte Weg, selbst nach Kopenhagen, Zürich oder Breslau zu fahren. Opa meinte, dass Breslau sowieso auf dem Weg zurück nach Hause liege und dass es wohl kein Problem sein würde, dort ein zwei Tage zu bleiben. Doch für eine Reise nach Zürich oder Kopenhagen hätte er sicher nicht genügend Geld.

Aber eigentlich war es sinnlos, sich Gedanken über die Zukunft zu machen, bevor eine Antwort gekommen war. Als Maria sich verabschiedet hatte, diskutierten Opa und Auguste noch lange, was sie machen sollten. Beide waren sehr gespannt, ob einer der Herren zurück telegraphieren würde und ob sie überhaupt helfen könnten. Besonders Auguste war ganz aufgeregt. Noch nie war sie in ihrem Leben einem Wissenschaftler begegnet und nun stand sie indirekt gleich mit vier von ihnen in Kontakt, ganz zu Schweigen davon, dass sie mit einer Wissenschaftlerin schon zusammen Abendbrot gegessen hatte. Vor lauter Aufregung konnte Auguste gar nicht schlafen. Würde sich morgen ihr Leben ändern? Was würde geschehen? Irgendetwas musste doch geschehen! Wenn die angeschriebenen Wissenschaftler nicht würden helfen können, dann wäre ihre ganze Exkursion für nichts gewesen. Wenn sie nicht helfen wollten, auch. Doch wenn sie helfen würden, dann könnte sie so viel lernen.

In dieser Nacht beschloss Auguste, dass sie auch einmal Sprachwissenschaftlerin werden wollte. Aber da musste jetzt noch einige Jahre warten. Zuerst musste das aktuelle Problem gelöst werden. Hoffentlich würde Olaf bis zu ihrer Rückkehr warten, damit sie dann mit ihm sprechen könnten! Ach, alles schien ihr momentan so kompliziert. Doch morgen, morgen würde sich vielleicht alles ändern, oder vielleicht auch nicht. Was würde morgen geschehen?
(Fortsetztung folgt erst in zwei Wochen, da ich abwesend sein werde)

Kapitel 14: Maria Lüders

Wie sich herausstellte, sollte sie die Kutsche, welche sie wenig später abholte zu Maria Elisabeth Lüders bringen. Die Junge Dame, welche Anfang ihres dritten Jahrzehntes stand, hatte soeben als erste deutsche Frau an der Universität in Berlin promoviert. All dies erzählte der Kutscher Opa und Auguste, damit sich diese gebührend verhalten konnten. Auguste imponierte es wahnsinnig, dass sie zu so einer gebildeten Frau unterwegs waren und auch der Opa hatte etwas Ehrfurcht. Er selbst hatte nicht einmal das Gymnasium besucht, nur die Landwirtschaftliche Fachschule. Er hatte keine Ahnung, wie er sich einer ihm so überlegenen Frau gegenüber verhalten sollte. Zuhause war er gegenüber des weiblichen Geschlechts in Bezug auf die Bildung meilenweit voraus. Doch dieser jungen Dame, die nichteinmal halb so alt war wie er, konnte er bezüglich Bildung das Wasser nicht reichen. Aber jetzt gab es kein Zurück mehr. Die Kutsche näherte sich bedrohlich ihrme Ziel. An Flucht war nicht zu denken. Und was würde auch Auguste denken, wenn ihr Opa, den sie so verehrte, plötzlich Angst vor einer Frau zu haben schien?! Nein, er durfte sich nichts anmerken lassen, denn offensichtlich freute sich Auguste diese Frau zu treffen.

Maria Lüders wartete bereits im Hauseingang, als die Kutsche vor dem Haus vorfuhr. Freudig winkte Auguste und kaum hatte die Kutsche angehalten, da war sie auch schon die Treppen bis zum Eingang heraufgehüpft. Was für ein herrschaftliches Haus und was für eine vornehme Dame. Auguste freute sich, dass es ihr gegönnt war, ein solches Haus von innen zu sehen. Der Opa kam etwas langsamer, schwerfällig die Treppen herauf. Aber als auch er freudig von Frau Lüders begrüsst wurde, schienen ihm fünf Tonnen Steine vom Herzen zu fallen und mit wesentlich leichterem Schritt folgte er den zwei Frauen ins Haus. Auch er staunte nicht schlecht über die Einrichtung, die er hier vorfand. Und an den Wänden hingen Bilder von offensichtlich wichtigen Persönlichkeiten. Aber zum Staunen blieb nicht lange Zeit, denn sie wurden sofort in den Salon geführt. Die Gastgeberin meinte entschuldigend, dass sie hungrig sei und sie deshalb sofort das Essen servieren lassen wolle. Dagegen hatten auch Auguste und Opa nichts, denn seit dem Mittagessen hatten beide nichts mehr zu sich genommen.

Während sie nun das köstliche Mahl zu sich nahmen, unterhielten sie sich angeregt mit Maria, mit welcher sie mitlerweile Duzies gemacht hatten. Maria hatte viel von ihrem Leben erzählt und auch Auguste und Opa hatten einiges berichtet. Maria hatte Auguste ermuntert, sich in der Schule ordentlich anzustrengen, damit sie später einmal das Gymnasium besuchen könne und vielleicht sogar studieren könne. Auguste hatte diesen Vorschlag begeistert aufgenommen, denn nachdem was sie alles von Maria über das Studieren gehört hatte, schien es ihr äusserst spannend zu sein. Nach dem sie so eine Weile geplaudert hatten, fragte Maria endlich, was sie eigentlich schon von Anfang an interessiert hatte, nämlich was zwei Landmenschen in Berlin wollten. Auguste schaute den Opa fragend an. Sie wusste nicht, ob sie ihr wahres Vorhaben hier preisgeben durfte, doch der Opa nickte, denn er sah hier eine Chance. Diese Frau hatte gerade promoviert. Da sie die erste Frau war, mussten sie wohl fast alle an der Universität kennen. Wenn sie ihnen helfen würde, hätten sie vielleicht eine Chance einen der berühmten Professoren um Hilfe zu fragen. Auguste überlegte nicht so weit, doch aufgemuntert durch Opa, begann sie nun ihre Geschichte zu erzählen. Sie erzählte allerdings nicht die ganze Geschichte. Sie liess weg, dass es sich bei der Person, welche die fremden Sprachen sprach um einen Troll handle und nicht um einen Menschen. Stattdessen sagte sie, dass ein Reisender bei ihnen vorbeigekommen sei und sich im Wald niedergelassen hatte. Da er in ihrer Nähe wohnte, wollten sie sich jetzt mit ihm verständigen. Auguste schien diese Version passender, als Maria zu erzählen, dass sie einen Troll getroffen habe. Denn dann, so schien es ihr, würde die Wissenschaftlerin wohl an Augustes Glaubwürdigkeit zweifeln. In der Welt der Wissenschaft gab es nämlich keine Trolle und unsichtbare Wesen. Sogar Auguste wusste, dass diese Wesen als Mythologien und Unwahrheiten verschrien waren und dass nur Kinder, Dumme und solche, die nicht ganz bei Verstand waren an sie glauben durften. Auguste wollte aber keinesfall als unreifes Kind erscheinen, welches man noch nicht ernst nimmt.

Und der Plan funktionierte. Maria glaubte die Geschichte, obwohl sie sich wunderte, dass ein einzelner Reisender plötzlich in einem Wäldchen von Masuren hausen sollte. Aber sie hatte ja keinen Grund an der Aussage von Auguste zu zweifeln, denn warum sollten die zwei von ihrem kleinen Dorf einen so weiten Weg auf sich nehmen, wenn sie nicht wirklich ein wichtiges Vorhaben hätten. So fragte Maria, ob sie nicht die Zettel sehen könne, welche sie mitgebracht hätten. Opa breitete die Beute vor ihr aus. Maria staunte. "Mh..., sehr interessant", meinte sie, "aber leider kann ich euch nicht weiterhelfen. Ich bin keine Sprachwissenschaftlerin. Aber vielleicht lässt sich ja an der Universität jemand auftreiben, der euch helfen kann." Auguste fragte erfreut, ob sie denn morgen mit an die Universität kommen könnten und dort mit wichtigen Professoren sprechen könnten. Doch ganz so einfach war dies nicht. Maria meinte, dass sie zuerst jemanden finden müsse, der bereit wäre, sie zu empfangen. Die Gelehrten pflegten normalerweise keinen umgang mit ungebildeten Landmenschen. "Aber ich schreibe mir gerne ab, was ihr auf den Zetteln habt und lege das einigen Herren vor. Ihr könnt euch morgen einen schönen Tag machen und Berlin anschauen und am Abend werde ich mich wieder bei euch melden."

Augustes konnte ihre Enttäuschung nur schwer verbergen und so bemerkte auch Maria, dass Auguste diesen Vorschlag überhaupt nicht lustig fand. So versprach sie noch, dass sie dann übermorgen zur Universität gehen könnten. Aber Augustes Laune war dadurch nicht zu verbessern. Da der Abend schon vortgeschritten war, beschloss Opa, dass es nun langsam Zeit sei aufzubrechen. Sofort liess Maria ihnen die Kutsche herrichten und versprach noch einmal hoch und heilig, dass dies am nächsten Abend bei ihnen vorbeischauen wolle und ihnen berichten würde, wie die Dinge standen.

Sonntag, 13. Juli 2008

Kapitel 13: Zwei Landmenschen in Berlin

An der Rezeption wurde der Opa ganz anders empfangen, als er es erwartet hatte. Zwar war der Portier freundlich, sagte ihm aber auch bestimmt, dass er keine Zeit habe, um irgendwelche Wissenschaftler ausfindig zu machen. Opa war etwas enttäuscht. Wie sollte er sich jetzt zurechtfinden? Doch der Portier erwies sich doch noch als nützlich. Er zeigte dem Opa auf einem Stadtplan, wo sich das Hauptgebäude der Universität befand. Dort würde man ihm sicher weiterhelfen können. Um den beschriebenen Weg am nächsten Tag noch im Gedächtnis zu haben, marschierte der Opa gleich los und kam aus dem Staunen nicht mehr heraus. Die Strassen wurden von riesigen, mehrstöckigen Bauten gesäumt, grösser als er es je zuvor gesehen hatte. Da waren die Häuser von Olsztyn, die ihm schon gross erschienen waren, direkt klein gewesen. Wie er so im Staunen war, kam er plötzlich an einem noch prächtigerem und grösseren Gebäude vorbei. Er hatte es tatsächlich in die Strasse "Unter den Linden" geschaft, ohne ein einziges Mal nach dem Weg fragen zu müssen. Nun blieb ihm vor Staunen fast die Luft weg. Dieser herrschaftliche Palast mit einer Statue Friedrichs und einem Park war also die Universität. Wo sollte er denn hier hineingehen? Es gab so viele verschiedene Türen und Fenster und aus allen kamen Menschen heraus oder gingen welche hinein. Es war schon immer sein Wunsch gewesen, einmal in die Friedrich-Wilhelm-Universität zu gehen. Und nun stand er davor und wusste nicht, wie er hinein sollte. Er beschloss, dieses Wagnis auf den nächsten Tag zu verschieben, denn schliesslich war morgen auch noch ein Tag und Auguste wüsste sicher einen Ausweg.

Opa schaute auf die Uhr und bemerkte voller Schreck, dass er bereits zwei Stunden umher geschlendert war. Auguste würde sicher schon wach sein.

Und tatsächlich. Auguste war aufgewacht und hatte den Opa bereits vermisst. Sie hatte an der Rezeption nach ihm gefragt und dort hatte man ihr gesagt, dass der Opa zur Universität aufgebrochen sei. Sie war ein wenig sauer. Was bildete sich Opa eigentlich ein? Sie einfach alleine zu lassen und ohne sie ihrer gemeinsamen Aufgabe nachzugehen? Wild entschlossen, ihn einzuholen eilte sie aus dem Hotel, ohne zu fragen, in welche Richtung sie müsse. Auf diese Idee war sie gar nicht gekommen. Denn sie war es von Zuhause gewohnt, dass man sehr schnell sehen würde, wohin man gehen musste. Eine Weile lang eilte sie ohne zu schauen der Strasse auf der sie sich gerade befand entlang. Dann begann sie sich, von Sehenswürdigkeiten leiten zulassen. Überall, wo sie etwas spannendes sah, bog sie ab und ging in diese Richtung. Berlin gefiel ihr super! Ach war es schön hier! Und gab es viel anzuschauen. Sie merkte gar nicht, dass sie sich bereits völlig verirrt hatte. Und plötzlich stand sie vor einem riesigen Tor mit zwei Elefanten als Säulenstütze. Nun wusste sie wo sie war. Sie war beim zoologischen Garten. Davon hatte der Lehrer zuhause erzählt. Von diesem Tierpark, in dem es soviele Tiere gab, dass man sie gar nicht alle zählen konnte. Glücklicherweise hatte Auguste einige Groschen in der Tasche und so konnte sie sich eine Kindereintrittskarte leisten. Sie zögerte nicht lange und gab ihr letztes Geld dafür aus, nur damit sie in den Tiergarten gehen könne. Glücklich stolzierte sie hinein und begann nach exotischen Tieren ausschauh zu halten. Sie musste auch gar nicht lange suchen und sie stand vor dem Elefantengehege. Ach waren diese Tiere riesig. Im Schulbuch hatte man sehen können dass sie eine enorme Grösse hatten, aber dass sie so gross waren, dass hatte sich Auguste beim besten Willen nicht vorstellen können. Versunken in Träumen und Gedanken wandelte sie durch den Zoo und bestaunte all die fremdartigen Tiere. Sie fühlte sich wie im Paradies. Bis ihr plötzlich ein Wärter auf dei Schulter klopfte und meinte: "Junges Fräulein, wir haben bereits geschlossen, soll ich sie zum Ausgang begleiten?" Erschrocken fragte Auguste den Mann, wie spät es denn sei. Es war bereits nach sechs Uhr abends! Was würde Opa denken, wenn er zurückkäme und sie nicht im Zimmer vorfinden würde? Doch wie sollte sie nun zum Hotel zurückkommen? Ja, wie hiess eigentlich das Hotel, in dem sie wohnten? Plötzlich merkte sie, dass sie sich verlaufen hatte und bekam Angst, dass sie Opa vielleicht nie wieder sehen würde. Ohne Geld konnte sie sich auch nichts zuessen kaufen, geschweige denn für eine Nachtunterkunft bezahlen. Da sie sich nicht zu helfen wusste, fing sie bitterlich an zu weinen. Der Wärter wusste nicht recht, was er mit dem heulenden Kind anfangen sollte und schob sie vorsichtig in Richtung Ausgang. Als sie dort ankamen fragte er das Mädchen, was es denn habe. Da erklärte ihm Auguste, dass sie nun muttereseelen allein sei und nicht wüsste, wie sie ihren Opa wieder finden sollte.

Doch Auguste hatte Glück, der Wärter war ein Kinderlieber Mensch, der alleine wohnte. Wenn er am Abend nach Hause kommen würde, wartete niemand auf ihn. So hatte er Zeit. Also entschloss er sich, Auguste zu helfen. Er bat sie, sie solle sich in das Kaffe auf der anderen Strassenseite setzten und auf ihn warten, bis er mit der Arbeit fertig sei. Er bestellte sogar eine heisse Schokolade für Auguste, eine Köstlichkeit, die sie noch nie zuvor geschmeckt hatte.

Es ging gar nicht lange und da kam der Wärter in ziviler Kleidung aus dem Zoo heraus. Er bat Auguste auf den Gepäckträger seines Fahrrades zu sitzen und begann mit ihr von Hotel zu Hotel zu fahren. Dabei hoffte er, dass das Mädchen wenigstens das Gebäude erkennen würde. Und tatsächlich, als sie etwa 1 1/2 Stunden unterwegs gewesen waren, rief Auguste plötzlich: "Dort vorne ist es!" Glücklich verabschiedete sie sich vom Wärter und versprach ihm, ihn noch einmal zu besuchen. In der Unterhaltung während ihrer kleinen Fahrradtour hatte Auguste erfahren, dass er Elefantenwärter war. Elefanten waren von den exotischen Tieren Augustes Lieblinge. Und so hatten sie sich prima über diese Tiere unterhalten können.

Als Auguste das Hotel betrat, warteten dort schon eine ganze Menge aufgeregter Personen. Der Opa war da, der Portier, ein Polizist, eine nervöse Dame und eine ganze Menge Schaulustiger. Alle hatten überlegt, wie sie Auguste am besten finden könnten. Als diese nun zur Tür hereinkam, ging ein Aufschrei durch die Menge: "Da ist sie ja!" Opa rannte auf sie zu, drückte sie in die Arme und schimpfte mit ihr, dass sie doch nicht einfach davonlaufen könne. Auguste freute sich den Opa zu sehen und weinter erleichtert, wieder in sicheren Armen geborgen zu sein. Gerührt von dem Glück, was die beiden zu empfinden schienen, kam die nervöse Dame etwas näher und lud sie zu sich zum Abendessen ein.

Opa wollte zuerst widersprechen, aber die Dame liess nicht mit sich reden. "Um acht Uhr werde ich sie von einer Kutsche abholen lassen." sagte sie nur und dann verschwand sie. Auguste fragte den Opa, was das für eine Dame sei, doch dieser wusste es selbst nicht. Also zogen sich die beiden auf ihr Zimmer zurück und machten sich fein, denn die Kutsche konnte jeden Augenblick kommen.

Sonntag, 6. Juli 2008

Kapitel 12: Allenstein und weiter

Der nächste Tag gestalltete sich sowohl für Opa, als auch für Auguste herrlich. Früh am Morgen wachten beide auf und machten sich gestärkt durch ein währschaftes Frühstück auf, die Stadt zu erobern. Schon allein, als die zwei durch das Hohe Tor am Eingang des Stadtzentrums schritten, konnte Auguste vor lauter Staunen nicht genug bekommen. Wie konnte man nur so hohe Bauwerke erstellen? Und dann erst noch das prächtige Rathaus! Und diese herrlichen Kirchen. Zuhause bei ihnen gab es auch eine kleine Kirche, doch mit der riesigen Hauptkirche von Allenstein liess sie sich beim besten Willen nicht vergleichen. Besonders gefiel Auguste der Park, welcher sich rund um den Stadtkern entlang des Flusses zog. Und natürlich war sie auch von der Burg begeistert. Sie konnte sich lebhaft vorstellen, wie hier vor vielen Jahren die Ritter gewohnt hatten und das Land verteidigten. Was auch immer sie angerichtet oder erreicht hatten, auf jeden Fall war ihre Hinterlassenschaft grossartig. Schon nur die ganzen Kostbarkeiten an Schmuck und Rüstungen. Ach wie wunderschön war dies alles. Und zur Krönung des Tages bekam Auguste auch noch ein süsses Gebäck, welches so herrlich schmeckte, wie sie es sich in ihren kühnsten Träumen nicht hatte erahnen können.

Am abend fielen beide müde und erschöft, aber glücklich über den schönen Tag ins Bett und schliefen fest. Am nächsten Tag setzen sie die Reise mit dem Zug fort. Doch obwohl sie noch viel eindrückliches zu sehen bekamen, konnte nichts die allerersten Eindrücke von Auguste erreichen. Obwohl sie jetzt in immer grössere Städte kamen und immer prächtigere Bauwerke zu sehen bekamen, so war doch alles gewissermassen immer wieder Wiederholung. Opa und Auguste kamen an einem Ort an, übernachteten und schauten sich die Sehenswürdigkeiten eines Ortes an.

Wirklich beeindruckt war Auguste erst wieder, als sie eines Morgens nach einer durchfahrenen Nacht in Berlin ankamen. Die Hauptstadt des damaligen deutschen Reiches erstrahlte in schönstem Sonnenschein. Und sie war so unglaublich gross. Grösser als alles, was Auguste und Opa bis jetzt gesehen hatten. Schon um ihr Hotel, wo sie die nächste Woche bleiben wollten, zu finden, benötigten sie fast den ganzen Vormittag. Die Strassen waren lärmig und geschäftig und Auguste machte dieses Treiben fast ein wenig Angst. Nun wurde ihr zum ersten Mal bewusst, wie unbedeutend und klein ihr eigenes Heimatdorf doch war. Würde sie ein hochgelehrter Universitätsprofessor überhaupt empfangen, sie die aus den Wäldern Masurens kamen, was hier in Berlin als rückständige Gegend abgetan wurde? Wie sollten sie in dieser riesigen Stadt überhaupt die Universität und dern richtigen Professor finden? Immer mehr Zweifel machten sich in ihr breit und am Schluss wurde ihr von dem vielen Überlegen ganz übel. Dem Opa schien es ähnlich zu gehen, denn als sie meinte, sie wolle das Mittagessen lieber im Hotel einnehmen und nachher etwas schlafen, da sie sehr müde sei, willigte er bereitwillig, ja gar erleichtert ein.

Was würden die zwei in dieser Weltmetropole erreichen können? Würde ihr unternehmen erfolgreich enden? würden sie sich in wenigen Wochen mit dem Troll unterhalten können? All diese momentan unlösbaren Fragen gingen Opa durch den Kopf. Er beschloss, sobald Auguste schlafen würde, in die Hotelrezeption zu gehen und und sich so gut wie möglich über die wichtigsten Dinge zu informieren, dass er wenn Auguste aufwachen würde nicht so unwissend sein würde, wie er es jetzt war. Denn schliesslich verliess sich die Kleine voll und ganz auf ihren Opa und dachte, er habe alles im Griff.