Doch lange konnte Auguste nicht dösen. Denn wenige Augenblicke später räusperte sich jemand sehr stark. Zuerst wollte sie dem Räuspern keine Beachtung schenken, da sie dachte, dass es ihr Opa sei. Doch irgendetwas am Räuspern war seltsam. Vorsichtig öffnete sie die Augen und stiess beinahe einen Freudenschrei aus. Auf dem Sitz neben ihr sass Harry und lächelte sie verschmitzt an. "Na, damit hättest Du wohl nicht gerechnet, oder?" fragte er. Sie antwortete ehrlich und beichtete ihm, dass sie schon gedacht hatte, dass sie ihn wohl nie wieder sehen würde. Bei dem Trubel heute morgen, hatte sie einfach keine Zeit gefunden, nach ihm zu sehen. Harry hatte ihr längst verziehen. Er hatte sich in der Nacht überlegt, dass so eine Reise seinem Leben etwas Spannung verleihen könnte. Und wenn es ihm in Masuren nicht gefallen sollte, so konnte er einfach zurückreisen. Die meisten Menschen konnten ihn ja nicht sehen. Deshalb konnte er unbemerkt in jeden Zug hüpfen und mitfahren.
Durch die Unterhaltung der beiden war Opa aufmerksam geworden. Und oh Wunder, er konnte Harry auch sehen. Er war darüber sehr verwundert. Ein Weilchen beobachtete er die beiden still. Doch dann gewahrte er, dass sich auf dem Korridor der Kontrolleur näherte. Er machte Auguste und Harry darauf aufmerksam, dass es nicht so ratsam sei, den Zugschaffner auf ein unsichtbares Wesen aufmerksam zu machen. Beide verstummten sofort. Dann wendete sich Auguste Opa zu und fragte ihn erstaunt, ob er denn Harry sehen könnte. Opa nickte. Nun war auch Harry überrascht. Jahrelang hatte ihn niemand sehen können und jetzt sass er gleich mit zwei Menschen im Abteil, vor denen er sich nicht verstecken konnte.
Als der Kontrolleur weitergegangen war unterhielten sich die drei prächtig. Sie assen die Mitgebrachten Brote und Äpfel und genossen die Reise sichtlich. Die Zeit verging wie im Flug und bald kam der Zug in Breslau, ihrem vorläufigen Zwischenziel, an. Auch Breslau war eine riesige und wundervolle Stadt. Doch Auguste war mittlerweile von grossen Häusern nicht mehr so phasziniert, wie sie es noch am Anfang ihrer Reise in Olsztyn gewesen war. Sie dachte zurück. Es waren nur wenige Wochen vergangen, seit sie mit Opa von ihrem Dorf aufgebrochen waren. Doch Auguste kam es vor, als sei sie schon Jahre unterwegs. Sie fühlte sich auch um einiges erfahrener und klüger. Eine Grossstadt wie Breslau machte ihr keine Angst mehr. Als sie in Berlin angekommen waren, war sie froh gewesen, dass Opa alles organisierte. Nun war Opa noch nicht vollständig von seiner Augenoperation genesen. Deshalb übernahm sie die Führung. Und sie war richtig stolz auf sich, dass sie so rational vorgehen konnte. Sie schritt auf dem Vorplatz zur nächsten Kutsche und erklärte dem Kutscher, dass sie ein billiges Hotel in der Nähe der Universität suchten. Sie verhandelte mit ihm einen Fahrpreis, holte Opa, Harry und das Gepäck und los ging die Kutschenfahrt. Unterwegs sahen sie noch einige Sehenswürdigkeiten. Der Hauptbahnhof, an dem sie angekommen waren, lag etwas ausserhalb des Stadtzentrums. Breslau war mit seinen halben Million Einwohner für Auguste riesig. Und sie genoss es, dass der Kutscher noch ein wenig in der Stadt herumfuhr. So konnten sie die Domkirche, das alte Rathaus mit dem eindrücklichen Giebel und vieles mehr sehen. Auch and der Universität, die wie der Kutscher Auguste erzählte 1702 gegründet worden war. Es war ein herrlicher, riesiger Prachtsbau. Noch während alle dem Gebäude nachstaunten, hielt die Kutsche vor einem kleinen Hotel. Zufrieden stiegen aller herab und begaben sich an die Rezeption. Sie hatten Glück und es war gerade noch ein Zimmer frei.
Nachdem sie sich eingerichtet hatten, beschlossen sie, heute nicht mehr viel zu unternehmen, sondern einfach noch Abendbrot essen zu gehen. Morgen sei auch noch ein Tag und dann könne man den Professor suchen gehen. Es sei sowieso nicht sicher, dass er sie empfangen würde, hatte er doch nie auf das Telegram geantwortet.
Sonntag, 28. September 2008
Sonntag, 21. September 2008
Kapitel 21: Die Truhe
Gespannt machten sich beide auf, um auf den Dachboden zu klettern. Wie sich herausstellte war schon seit Ewigkeiten niemand mehr dort oben gewesen. Die alte, morsche Holzleiter war schon ganz verstaubt. Als die beiden Frauen sie mühsam angeschleppt hatten und parat gestellt hatten, bemerkten sie schon das erste Problem. Da schon so lange niemand mehr auf dem Dachboden gewesen war, schienen die Scharniere eingerostet zu sein. Denn weder Auguste noch Maria konnten aus eigener Kraft die Lucke aufschieben. Zusammen konnten sie nicht drücken, denn jemand musste die Leiter halten. Da sah Auguste, dass Harry ihnen aus einer Ecke amüsiert zuschaute. Sie winkte ihm möglich unauffällig, so dass Maria es nicht merken sollte und sagte zu Maria, dass sie es noch einmal versuchen wollte. Und tatsächlich, mit Harrys Hilfe gelang es. Maria staunte nicht schlecht, dass dieses kleine Mädchen mehr Kraft besass, als sie selbst, begründete es dann aber mit der harten Landarbeit, die dieses Kind wohl zuhause verrichten musste. Etwas zögerlich folgte sie Auguste und Harry, von dem sie allerdings nicht wusste, dass er auch dort oben war.
Oben angekommen suchte Maria alles gründlich durch. Aber in dem dämmrigen Licht und unter all den Staubschichten und Spinnennetzen war beim besten Willen nichts zu erkennen. Und Maria hatte auch gar keine Lust, den Dingen zu Nahe zukommen. Wer weiss, vielleicht versteckte sich unter irgedeiner Kiste noch eine Maus oder gar eine Ratte. Und überall waren Spinnen. Diese mochte sie auch nicht. Auguste machte das ganze nichts aus. Für sie war es ein Abenteuer. Sie liebte es fremde Dachböden zu durchstöbern, da sich dort oft unverhofte Schätze finden liessen. Sie packte daher viel beherzter als Maria zu und räumte Kiste um Kiste weg, schob Möbel herum und hob Leintücher, welche Dinge verhängten. Doch auch ihr gelang es nicht, die Truhe von Marias Oma ausfindig zu machen. Nachdem die drei etwa 2 Stunden gesucht hatten, beschlossen sie erschöpft, die Suche abzubrechen. Auguste musste noch für die morgige Reise packen und alle würden früh aufstehen müssen, weshalb es gut wäre, nicht allzu spät ins Bett zu kommen. Also verliessen sie den Dachboden, verschlossen ihn wieder sorgfälltig und machten sich parat für's Bett. Maria war ein wenig traurig. Gerne hätte sie ihrer neu gewonnnen Freundin zum Abschied noch eine Freude bereitet. Aber anscheinend war die Truhe nicht mehr auf dem Dachboden. Wo sie wohl sein mochte?
Auguste ging in ihr Zimmer, packte und legte sich ins Bett. Maria schaute noch einmal herein, ob alles in Ordnung sei. Als sie gegangen war, rief Auguste nach Harry. "Harry, weisst Du, morgen werde ich abreisen. Möchtest Du mit mir kommen?" Harry lugte zweifelnd unter dem Bett hervor. "Was soll ich denn mit Dir mitkommen? Gibt es bei euch auch Meinesgleichen? Oder soll ich dann ganz alleine hausen? Jetzt wohne ich zwar auch alleine, aber ab und zu treffe ich Freunde auf einen Drink in einer Kneipe. Das kann ich bei euch ja wohl kaum." Auguste gestand ihm, dass sie gar nicht wusste, ob es nicht vielleicht noch andere Wichtel in ihrem Dorf gäbe. Aber falls nicht, so würde sie sich bestimmt um ihn kümmern und Olaf sei ja auch noch da. "Ja, aber mit Olaf kann ich mich ja nicht verständigen. Der spricht ja eine andere Sprache!" Darauf meinte Auguste, dass das schon irgendwie gehen würde. Und Harry meinte, dass er sich das ganze bis morgen früh nocheinmal durch den Kopf gehen lassen müsste.
Schon wollte er Auguste gute Nacht wünschen, als ihm nocheinmal einfiel, dass er eigentlich hatte fragen wollen, nach was die beiden vorher auf dem Dachboden gesucht hatten. Auguste erzählte ihm von der Truhe. Harry staunte sie an, tauchte unters Bett und stand eine Minute später mit einer kleinen silbernen Truhe wieder vor Auguste. "Meinst du diese?" Auguste wusste nicht, ob es die gesuchte Truhe war, denn Maria hatte nicht erzählt, wie sie ausgesehen hatte. Harry überlegte kurz und meinte dann, dass er Auguste den Inhalt jetzt nicht zeigen wolle. Aber falls er morgen mitreisen würde, so nähme er die Truhe auf jeden Fall mit, denn die Oma hätte sie nicht Maria sondern ihm vermacht.
Vor lauter Neugierde konnte Auguste fast nicht einschlafen. Doch irgendwann war sie wohl doch eingedämmert, denn plötzlich war es Morgen und eine grosse Eile war angesagt. Maria kam herein, half Auguste sich fertig zu machen, schnappte den Koffer und los ging es. Auguste hatte gar keine Zeit mehr, Harry zu fragen, ob er jetzt mit komme. Und es blieb auch keine Zeit, sich von ihm zu verabschieden. Eigentlich wollte sie so das Haus nicht verlassen, aber sie hatte gar keine andere Wahl.
Zusammen mit Maria holten sie Opa ab und fuhren zum Bahnhof. Dort angekommen, fuhr schon der Zug nach Breslau ein. Mit Tränen verabschiedeten sich alle und los ging die Reise. Als der Zug den Bahnhof verliess winkte Auguste noch lange aus dem Fenster. Und auch Maria stand mit erhobenem Arm auf dem Peron und schaute dem Zug sehnsüchtig nach. Würden sie sich wohl je wieder sehen? Und wenn, wie würde das werden? Auguste heulte wie ein Schlosshund. Es war so eine schöne Zeit gewesen. Wahrscheinlich würde sie Maria nie mehr sehen! Und sicher würde sie nie mehr bei Maria wohnen können. Und Harry, ja den würde sie wohl auch nie mehr zu Gesicht bekommen. Denn er war bestimmt sauer, dass sie sich gar nicht von ihm verabschiedet hatte.
Opa versuchte Augustchen so gut es ging zu trösten. Der Zug war nicht sehr voll und die beiden hatten zum Glück ein eigenes Abteil ergattern können. Deshalb getraute sich Augstea auch, Opa von Harry zu erzählen. Opa hörte ihr mit grossen Augen zu und fragte Auguste dann, ob sie denke, dass er Harry sehen könne. Auguste wusste es nicht. Aber es tat ihr gut, dass Opa ihr glaubte und sie nicht für verrückt erklärte. Darum hatte sie es ihm auch erzählt, denn er hatte ihr schon einmal geglaubt, als sie von Olaf erzählt hatte. Als sie sich etwas beruhigt hatte, fragte sie Opa, warum er eigentlich an all diese seltsamen Geschöpfe glaubte, die sie immer wieder antraf. Und da fing Opa an zu erzählen.
"Weisst Du Augustchen, als ich noch ein kleiner Junge war, da erzählte mir meine Uroma, dass als ihre Oma noch gelebt hatte, die Welt nicht nur von Menschen, Tieren und Pflanzen bewohnt gewesen war, sondern noch von allerlei anderen Gestalten. Es gab Geschöpfe mit magischen Fähigkeiten, Geschöpfe die unsichtbar waren, Geschöpfe die riesig oder unglaublich kleinwaren und vieles mehr. Sie erzählte so lebhaft von einer wunderbaren Welt, die die Menschen heute nicht mehr wahrnehmen können, dass ich das ganze vor mir sah. Ich hatte Bilder von Elfen, Trollen und Wichteln aber auch von bösen Zauberern und Drachen vor meinen Augen. Meine Uroma meinte, dass sie selbst nur ein einziges Mal einem Wichtel begegnet sei, aber sie hätte nicht die Chance gehabt mit ihm zu reden. Doch sie beschrieb ihn so genau, dass ich genau wusste, wie er ausgesehen haben musste. Und dann begann ich an diese Welt zu glauben, konnte sie aber nie selbst erleben oder spüren. Daher finde ich es so wundervoll, dass ich durch Deine Augen wieder in diese Welt meiner Kindheitsträume eintauchen kann. Ach wie hätte ich mir gewünscht, dass die Geschichten meiner Uroma wahr waren, aber alle anderen Erwachsenen redeten mir ein, dass ich Uroma nicht glauben sollte, denn sie sei schon etwas alt und nicht mehr so ganz bei Sinnen. Ich konnte also niemanden mehr von dieser Welt erzählen, ohne Gefahr zu laufen, dass sie mich für Verrückt hieltn. Und nun hast Du meine kleine Auguste Uromas Fähigkeiten geerbt und kannst auch in diese Welt eintauchen. So beweisst Du mir auch gleichzeitig, dass Uroma nicht geistig umnachtet war, wie alle meinten, sondern noch ganz klar bei Verstand. Nur hatte sie eine Begabung, die niemand der anderen Nachfühlen konnte."
Aufmerksam hatte Auguste zugehört. Hatte sie wirklich eine spezielle Begabung? Sie hatte sich eigentlich noch nie überlegt, von wem sie Abstammte und was ihre Ahnen wohl alles gekonnt hatten. Aber nun plötzlich fand sie es extrem spannend und hätte gerne mehr über ihre Vorfahren erfahren. Nicht nur über die Uroma, sondern über alle einzelnen. Was hatten die wohl alle für Fähigkeiten und Begabungen gehabt? Was hatte sie davon wohl alles geerbt oder nicht geerbt? Mit einem Schlag wurde ihr bewusst, wie wichtig es eigentlich war zu wissen, von wem man abstammte. Klar, die Herkunft gab keine Auskunft über die eigene Persönlichkeit. Denn offensichtlich besassen ihre Schwestern nicht die Begabung in eine andere Welt eintauchen zu können. Aber die Herkunft liess einen wenigstens erahnen, nach was für einer Art Talente man Aussichthalten sollte.
Das gleichmässig Rattern des Zuges liess sie müde werden. An Opa gelehnt fühlte sie sich sicher und geborgen und dachte über ihre Vergangenheit und das Leben und die Welt nach. Und gab es wohl wirklich eine Welt, die nicht alle wahrnehmen konnten?
Oben angekommen suchte Maria alles gründlich durch. Aber in dem dämmrigen Licht und unter all den Staubschichten und Spinnennetzen war beim besten Willen nichts zu erkennen. Und Maria hatte auch gar keine Lust, den Dingen zu Nahe zukommen. Wer weiss, vielleicht versteckte sich unter irgedeiner Kiste noch eine Maus oder gar eine Ratte. Und überall waren Spinnen. Diese mochte sie auch nicht. Auguste machte das ganze nichts aus. Für sie war es ein Abenteuer. Sie liebte es fremde Dachböden zu durchstöbern, da sich dort oft unverhofte Schätze finden liessen. Sie packte daher viel beherzter als Maria zu und räumte Kiste um Kiste weg, schob Möbel herum und hob Leintücher, welche Dinge verhängten. Doch auch ihr gelang es nicht, die Truhe von Marias Oma ausfindig zu machen. Nachdem die drei etwa 2 Stunden gesucht hatten, beschlossen sie erschöpft, die Suche abzubrechen. Auguste musste noch für die morgige Reise packen und alle würden früh aufstehen müssen, weshalb es gut wäre, nicht allzu spät ins Bett zu kommen. Also verliessen sie den Dachboden, verschlossen ihn wieder sorgfälltig und machten sich parat für's Bett. Maria war ein wenig traurig. Gerne hätte sie ihrer neu gewonnnen Freundin zum Abschied noch eine Freude bereitet. Aber anscheinend war die Truhe nicht mehr auf dem Dachboden. Wo sie wohl sein mochte?
Auguste ging in ihr Zimmer, packte und legte sich ins Bett. Maria schaute noch einmal herein, ob alles in Ordnung sei. Als sie gegangen war, rief Auguste nach Harry. "Harry, weisst Du, morgen werde ich abreisen. Möchtest Du mit mir kommen?" Harry lugte zweifelnd unter dem Bett hervor. "Was soll ich denn mit Dir mitkommen? Gibt es bei euch auch Meinesgleichen? Oder soll ich dann ganz alleine hausen? Jetzt wohne ich zwar auch alleine, aber ab und zu treffe ich Freunde auf einen Drink in einer Kneipe. Das kann ich bei euch ja wohl kaum." Auguste gestand ihm, dass sie gar nicht wusste, ob es nicht vielleicht noch andere Wichtel in ihrem Dorf gäbe. Aber falls nicht, so würde sie sich bestimmt um ihn kümmern und Olaf sei ja auch noch da. "Ja, aber mit Olaf kann ich mich ja nicht verständigen. Der spricht ja eine andere Sprache!" Darauf meinte Auguste, dass das schon irgendwie gehen würde. Und Harry meinte, dass er sich das ganze bis morgen früh nocheinmal durch den Kopf gehen lassen müsste.
Schon wollte er Auguste gute Nacht wünschen, als ihm nocheinmal einfiel, dass er eigentlich hatte fragen wollen, nach was die beiden vorher auf dem Dachboden gesucht hatten. Auguste erzählte ihm von der Truhe. Harry staunte sie an, tauchte unters Bett und stand eine Minute später mit einer kleinen silbernen Truhe wieder vor Auguste. "Meinst du diese?" Auguste wusste nicht, ob es die gesuchte Truhe war, denn Maria hatte nicht erzählt, wie sie ausgesehen hatte. Harry überlegte kurz und meinte dann, dass er Auguste den Inhalt jetzt nicht zeigen wolle. Aber falls er morgen mitreisen würde, so nähme er die Truhe auf jeden Fall mit, denn die Oma hätte sie nicht Maria sondern ihm vermacht.
Vor lauter Neugierde konnte Auguste fast nicht einschlafen. Doch irgendwann war sie wohl doch eingedämmert, denn plötzlich war es Morgen und eine grosse Eile war angesagt. Maria kam herein, half Auguste sich fertig zu machen, schnappte den Koffer und los ging es. Auguste hatte gar keine Zeit mehr, Harry zu fragen, ob er jetzt mit komme. Und es blieb auch keine Zeit, sich von ihm zu verabschieden. Eigentlich wollte sie so das Haus nicht verlassen, aber sie hatte gar keine andere Wahl.
Zusammen mit Maria holten sie Opa ab und fuhren zum Bahnhof. Dort angekommen, fuhr schon der Zug nach Breslau ein. Mit Tränen verabschiedeten sich alle und los ging die Reise. Als der Zug den Bahnhof verliess winkte Auguste noch lange aus dem Fenster. Und auch Maria stand mit erhobenem Arm auf dem Peron und schaute dem Zug sehnsüchtig nach. Würden sie sich wohl je wieder sehen? Und wenn, wie würde das werden? Auguste heulte wie ein Schlosshund. Es war so eine schöne Zeit gewesen. Wahrscheinlich würde sie Maria nie mehr sehen! Und sicher würde sie nie mehr bei Maria wohnen können. Und Harry, ja den würde sie wohl auch nie mehr zu Gesicht bekommen. Denn er war bestimmt sauer, dass sie sich gar nicht von ihm verabschiedet hatte.
Opa versuchte Augustchen so gut es ging zu trösten. Der Zug war nicht sehr voll und die beiden hatten zum Glück ein eigenes Abteil ergattern können. Deshalb getraute sich Augstea auch, Opa von Harry zu erzählen. Opa hörte ihr mit grossen Augen zu und fragte Auguste dann, ob sie denke, dass er Harry sehen könne. Auguste wusste es nicht. Aber es tat ihr gut, dass Opa ihr glaubte und sie nicht für verrückt erklärte. Darum hatte sie es ihm auch erzählt, denn er hatte ihr schon einmal geglaubt, als sie von Olaf erzählt hatte. Als sie sich etwas beruhigt hatte, fragte sie Opa, warum er eigentlich an all diese seltsamen Geschöpfe glaubte, die sie immer wieder antraf. Und da fing Opa an zu erzählen.
"Weisst Du Augustchen, als ich noch ein kleiner Junge war, da erzählte mir meine Uroma, dass als ihre Oma noch gelebt hatte, die Welt nicht nur von Menschen, Tieren und Pflanzen bewohnt gewesen war, sondern noch von allerlei anderen Gestalten. Es gab Geschöpfe mit magischen Fähigkeiten, Geschöpfe die unsichtbar waren, Geschöpfe die riesig oder unglaublich kleinwaren und vieles mehr. Sie erzählte so lebhaft von einer wunderbaren Welt, die die Menschen heute nicht mehr wahrnehmen können, dass ich das ganze vor mir sah. Ich hatte Bilder von Elfen, Trollen und Wichteln aber auch von bösen Zauberern und Drachen vor meinen Augen. Meine Uroma meinte, dass sie selbst nur ein einziges Mal einem Wichtel begegnet sei, aber sie hätte nicht die Chance gehabt mit ihm zu reden. Doch sie beschrieb ihn so genau, dass ich genau wusste, wie er ausgesehen haben musste. Und dann begann ich an diese Welt zu glauben, konnte sie aber nie selbst erleben oder spüren. Daher finde ich es so wundervoll, dass ich durch Deine Augen wieder in diese Welt meiner Kindheitsträume eintauchen kann. Ach wie hätte ich mir gewünscht, dass die Geschichten meiner Uroma wahr waren, aber alle anderen Erwachsenen redeten mir ein, dass ich Uroma nicht glauben sollte, denn sie sei schon etwas alt und nicht mehr so ganz bei Sinnen. Ich konnte also niemanden mehr von dieser Welt erzählen, ohne Gefahr zu laufen, dass sie mich für Verrückt hieltn. Und nun hast Du meine kleine Auguste Uromas Fähigkeiten geerbt und kannst auch in diese Welt eintauchen. So beweisst Du mir auch gleichzeitig, dass Uroma nicht geistig umnachtet war, wie alle meinten, sondern noch ganz klar bei Verstand. Nur hatte sie eine Begabung, die niemand der anderen Nachfühlen konnte."
Aufmerksam hatte Auguste zugehört. Hatte sie wirklich eine spezielle Begabung? Sie hatte sich eigentlich noch nie überlegt, von wem sie Abstammte und was ihre Ahnen wohl alles gekonnt hatten. Aber nun plötzlich fand sie es extrem spannend und hätte gerne mehr über ihre Vorfahren erfahren. Nicht nur über die Uroma, sondern über alle einzelnen. Was hatten die wohl alle für Fähigkeiten und Begabungen gehabt? Was hatte sie davon wohl alles geerbt oder nicht geerbt? Mit einem Schlag wurde ihr bewusst, wie wichtig es eigentlich war zu wissen, von wem man abstammte. Klar, die Herkunft gab keine Auskunft über die eigene Persönlichkeit. Denn offensichtlich besassen ihre Schwestern nicht die Begabung in eine andere Welt eintauchen zu können. Aber die Herkunft liess einen wenigstens erahnen, nach was für einer Art Talente man Aussichthalten sollte.
Das gleichmässig Rattern des Zuges liess sie müde werden. An Opa gelehnt fühlte sie sich sicher und geborgen und dachte über ihre Vergangenheit und das Leben und die Welt nach. Und gab es wohl wirklich eine Welt, die nicht alle wahrnehmen konnten?
Sonntag, 14. September 2008
Kapitel 20: Opa ist wieder gesund
Am nächsten Morgen wurde Auguste durch ein Klopfen an ihrer Tür geweckt. Gereade überlegte sie noch, wer das wohl sei, als auch schon Maria den Kopf zur Tür herein steckte und ihr freudestrahlend mitteilte, dass sie heute morgen Nachricht vom Krankenhaus bekommen hätte. Opa würde am nächsten Tag entlassen werden. Auguste konnte es kaum glauben. Sie hatte Opa in dem ganzen Trubel fast schon ein wenig vergessen. Nun hatte sie ein schlechtes Gewissen. Um dies wieder gut zu machen, beeilte sie sich freudig aus dem Bett zu springen und meinte dass sie sofort mit den Reisevorbereitungen anfangen müssten. Denn wenn Opa aus dem Krankenhaus komt, ist wohl das Geld, was er angespart hat bald aufgebraucht.
Beim Frühstück begannen die beiden Frauen gemeinsam zu planen. Von Breslau war noch keine Antwort gekommen. D.h. auf der Rückreise wollte Auguste sicher einige Tage in Breslau verbringen. Vielleicht würde der Professor sie ja empfangen. Maria meinte, dass sie wohl am besten nach dem Frühstück gleich zum Bahnhof gingen und zwei Fahrkarten von Berlin nach Breslau und dann für drei Tage später zwei Karten von Breslau zurück nach Elk (Lyck) kaufen sollten. Auguste war damit einverstanden. Gemacht getan. Nach erledigter Arbeit besuchten sie Opa im Krankenhaus und erzählten ihm von den Reisevorbereitungen. Opa rechnete sein Geld zusammen und meinte, dass der Rest gerade noch für drei Übernachtungen in Breslau und eine Kutsche von Elk zurück in ihr Dorf reichen müsste. Sie müssten sich unterwegs einfach billig ernähren.
Nach dem alles geklärt war, verabschiedeten sich Auguste und Maria von Opa und versprachen am nächsten Morgen um punkt 9 Uhr beim Krankenhaus zu sein. Der Zug würde um kurz vor 11 abfahren. Dann bliebe noch genügend Zeit, um Opa beim Packen zu helfen und alle zusammen zum Bahnhof zu fahren. Maria schlug vor, dass sie nach Hause fahren sollten. Es regnete schon den ganzen Vormittag und das Wetter schien sich nicht in absehbarer Zeit zu bessern. Die beiden Frauen hatten noch den ganzen Nachmittag Zeit. Da es Augustes letzter Nachmittag in Berlin war, wollte Maria ihr noch etwas mitgeben, dass sie später immer wieder an Berlin erinnern würde. Zuerst wusste Maria nicht so recht was, aber nach einer Weile beschloss sie, Auguste zu zeigen, wie man eine Marzipantorte machte. Denn Königsberg war nicht weit von Masuren entfernt und so würde Auguste sicher irgendwie an Marzipan kommen können. Auguste war sofort begeistert. So ein feines Gebäck hatte sie noch nie gegessen. Sie hatte schon ein paar Mal an speziellen Anlässen solche Torten gesehen, aber da hatte es immer geheissen, das sei nichts für Kinder. Nun würde sie das erste Mal selbst so eine Köstlichkeit herstellen lernen. Und dann würde sie sicher auch etwas davon essen dürfen. Wie herrlich! Schon auf dem Heimweg vom Krankenhaus konnte Auguste vor Vorfreude kaum stillsitzen. Als sie dann in dem grossen Lebensmittel Geschäft standen, das so gross war, wie Auguste es noch nie in ihrem Leben gesehen hatte, da hüpfte ihr Herz wie ein Pingpongball und sie hätte schreien und tanzen können. Doch sie nahm sich zusammen und genoss es, die herrlichen und kostbaren Auslagen in dem Geschäft zu betrachten. Es gab neben Mehl und Zucker und Brot und allerlei Gemüsen und Früchten und sonstigem alltäglichen auch eine Ecke mit Kolonialwaren. Die war für Auguste besonders spannend. Denn bis nach Masuren kamen selten exotische Früchte und Waren. Höchstens einmal an Weihnachten gab es eine Orange oder eine Tafel Schokolade. Hier im Geschäft war alles gleich Kiloweise aufgetürmt. Die Verlockung ein kleines Stückchen mitgehen zu lassen war gross. Denn es würde ja sowieso niemand merken, dachte Auguste. Doch sie tat es nicht. Denn sie hätte sich gegenüber Maria sehr geschämt, falls es doch jemand bemerkt hätte.
Noch bevor Auguste richtig aus dem Staunen herausgekommen war, hatte Maria ihre Einkäufe schon erledigt und eilte schon in Richtung Ausgang. Erst draussen merkte Maria, dass Auguste wohl noch im Laden sein musst, drehte sich nocheinmal um und rief ungeduldig nach ihr. Wenn sie nach dem Tortebacken auch noch etwas Zeit zum Spielen und Erzählen haben wollten, dann mussten sie sich beeilen.
Das Backen der Torte nahm wirklich fast den ganzen Nachmittag in Anspruch. Denn Auguste wollte alles möglichst genau sehen, damit sie es zuhause nachahmen könnte. Sie schrieb sich jeden Fertigungsschritt schön säuberlich auf und malte auch noch Skizzen dazu, damit sie sich auf jeden Fall wieder erinnern könnte. Doch die beiden schafften es trotzdem rechtzeitig zur Kafffetrinkzeit eine Torte dahergezaubert zu haben. Genüsslich tranken sie dann Kaffe und assen Torte. Auguste schlug mächtig zu und verdrückte 3 Stück. Soviel hatte sie noch nie in ihrem Leben gegessen, aber es schmeckte einfach zu lecker.
Während sie so assen, begann Maria von ihrer Oma zu erzählen. Sie holte auch alte Fotos, welche Auguste bestaunte. Und je mehr sie im Gespräch vertieft waren, desto mehr erfuhr Auguste über diese Oma. Plötzlich kam Maria auf die Idee, dass ihre Oma ihr ja eine Geheimtruhe vermacht hatte. In dieser Truhe befand sich allerlei kleinkram aber auch einige Dinge, aus denen Maria nie ganz schlau geworden war. Auguste wollte diese Truhe unbedingt sehen und so begaben sich Maria und Auguste auf den Dachboden, um nach dieser Truhe zu suchen.
Beim Frühstück begannen die beiden Frauen gemeinsam zu planen. Von Breslau war noch keine Antwort gekommen. D.h. auf der Rückreise wollte Auguste sicher einige Tage in Breslau verbringen. Vielleicht würde der Professor sie ja empfangen. Maria meinte, dass sie wohl am besten nach dem Frühstück gleich zum Bahnhof gingen und zwei Fahrkarten von Berlin nach Breslau und dann für drei Tage später zwei Karten von Breslau zurück nach Elk (Lyck) kaufen sollten. Auguste war damit einverstanden. Gemacht getan. Nach erledigter Arbeit besuchten sie Opa im Krankenhaus und erzählten ihm von den Reisevorbereitungen. Opa rechnete sein Geld zusammen und meinte, dass der Rest gerade noch für drei Übernachtungen in Breslau und eine Kutsche von Elk zurück in ihr Dorf reichen müsste. Sie müssten sich unterwegs einfach billig ernähren.
Nach dem alles geklärt war, verabschiedeten sich Auguste und Maria von Opa und versprachen am nächsten Morgen um punkt 9 Uhr beim Krankenhaus zu sein. Der Zug würde um kurz vor 11 abfahren. Dann bliebe noch genügend Zeit, um Opa beim Packen zu helfen und alle zusammen zum Bahnhof zu fahren. Maria schlug vor, dass sie nach Hause fahren sollten. Es regnete schon den ganzen Vormittag und das Wetter schien sich nicht in absehbarer Zeit zu bessern. Die beiden Frauen hatten noch den ganzen Nachmittag Zeit. Da es Augustes letzter Nachmittag in Berlin war, wollte Maria ihr noch etwas mitgeben, dass sie später immer wieder an Berlin erinnern würde. Zuerst wusste Maria nicht so recht was, aber nach einer Weile beschloss sie, Auguste zu zeigen, wie man eine Marzipantorte machte. Denn Königsberg war nicht weit von Masuren entfernt und so würde Auguste sicher irgendwie an Marzipan kommen können. Auguste war sofort begeistert. So ein feines Gebäck hatte sie noch nie gegessen. Sie hatte schon ein paar Mal an speziellen Anlässen solche Torten gesehen, aber da hatte es immer geheissen, das sei nichts für Kinder. Nun würde sie das erste Mal selbst so eine Köstlichkeit herstellen lernen. Und dann würde sie sicher auch etwas davon essen dürfen. Wie herrlich! Schon auf dem Heimweg vom Krankenhaus konnte Auguste vor Vorfreude kaum stillsitzen. Als sie dann in dem grossen Lebensmittel Geschäft standen, das so gross war, wie Auguste es noch nie in ihrem Leben gesehen hatte, da hüpfte ihr Herz wie ein Pingpongball und sie hätte schreien und tanzen können. Doch sie nahm sich zusammen und genoss es, die herrlichen und kostbaren Auslagen in dem Geschäft zu betrachten. Es gab neben Mehl und Zucker und Brot und allerlei Gemüsen und Früchten und sonstigem alltäglichen auch eine Ecke mit Kolonialwaren. Die war für Auguste besonders spannend. Denn bis nach Masuren kamen selten exotische Früchte und Waren. Höchstens einmal an Weihnachten gab es eine Orange oder eine Tafel Schokolade. Hier im Geschäft war alles gleich Kiloweise aufgetürmt. Die Verlockung ein kleines Stückchen mitgehen zu lassen war gross. Denn es würde ja sowieso niemand merken, dachte Auguste. Doch sie tat es nicht. Denn sie hätte sich gegenüber Maria sehr geschämt, falls es doch jemand bemerkt hätte.
Noch bevor Auguste richtig aus dem Staunen herausgekommen war, hatte Maria ihre Einkäufe schon erledigt und eilte schon in Richtung Ausgang. Erst draussen merkte Maria, dass Auguste wohl noch im Laden sein musst, drehte sich nocheinmal um und rief ungeduldig nach ihr. Wenn sie nach dem Tortebacken auch noch etwas Zeit zum Spielen und Erzählen haben wollten, dann mussten sie sich beeilen.
Das Backen der Torte nahm wirklich fast den ganzen Nachmittag in Anspruch. Denn Auguste wollte alles möglichst genau sehen, damit sie es zuhause nachahmen könnte. Sie schrieb sich jeden Fertigungsschritt schön säuberlich auf und malte auch noch Skizzen dazu, damit sie sich auf jeden Fall wieder erinnern könnte. Doch die beiden schafften es trotzdem rechtzeitig zur Kafffetrinkzeit eine Torte dahergezaubert zu haben. Genüsslich tranken sie dann Kaffe und assen Torte. Auguste schlug mächtig zu und verdrückte 3 Stück. Soviel hatte sie noch nie in ihrem Leben gegessen, aber es schmeckte einfach zu lecker.
Während sie so assen, begann Maria von ihrer Oma zu erzählen. Sie holte auch alte Fotos, welche Auguste bestaunte. Und je mehr sie im Gespräch vertieft waren, desto mehr erfuhr Auguste über diese Oma. Plötzlich kam Maria auf die Idee, dass ihre Oma ihr ja eine Geheimtruhe vermacht hatte. In dieser Truhe befand sich allerlei kleinkram aber auch einige Dinge, aus denen Maria nie ganz schlau geworden war. Auguste wollte diese Truhe unbedingt sehen und so begaben sich Maria und Auguste auf den Dachboden, um nach dieser Truhe zu suchen.
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