Am nächsten Morgen wurde Auguste durch ein Klopfen an ihrer Tür geweckt. Gereade überlegte sie noch, wer das wohl sei, als auch schon Maria den Kopf zur Tür herein steckte und ihr freudestrahlend mitteilte, dass sie heute morgen Nachricht vom Krankenhaus bekommen hätte. Opa würde am nächsten Tag entlassen werden. Auguste konnte es kaum glauben. Sie hatte Opa in dem ganzen Trubel fast schon ein wenig vergessen. Nun hatte sie ein schlechtes Gewissen. Um dies wieder gut zu machen, beeilte sie sich freudig aus dem Bett zu springen und meinte dass sie sofort mit den Reisevorbereitungen anfangen müssten. Denn wenn Opa aus dem Krankenhaus komt, ist wohl das Geld, was er angespart hat bald aufgebraucht.
Beim Frühstück begannen die beiden Frauen gemeinsam zu planen. Von Breslau war noch keine Antwort gekommen. D.h. auf der Rückreise wollte Auguste sicher einige Tage in Breslau verbringen. Vielleicht würde der Professor sie ja empfangen. Maria meinte, dass sie wohl am besten nach dem Frühstück gleich zum Bahnhof gingen und zwei Fahrkarten von Berlin nach Breslau und dann für drei Tage später zwei Karten von Breslau zurück nach Elk (Lyck) kaufen sollten. Auguste war damit einverstanden. Gemacht getan. Nach erledigter Arbeit besuchten sie Opa im Krankenhaus und erzählten ihm von den Reisevorbereitungen. Opa rechnete sein Geld zusammen und meinte, dass der Rest gerade noch für drei Übernachtungen in Breslau und eine Kutsche von Elk zurück in ihr Dorf reichen müsste. Sie müssten sich unterwegs einfach billig ernähren.
Nach dem alles geklärt war, verabschiedeten sich Auguste und Maria von Opa und versprachen am nächsten Morgen um punkt 9 Uhr beim Krankenhaus zu sein. Der Zug würde um kurz vor 11 abfahren. Dann bliebe noch genügend Zeit, um Opa beim Packen zu helfen und alle zusammen zum Bahnhof zu fahren. Maria schlug vor, dass sie nach Hause fahren sollten. Es regnete schon den ganzen Vormittag und das Wetter schien sich nicht in absehbarer Zeit zu bessern. Die beiden Frauen hatten noch den ganzen Nachmittag Zeit. Da es Augustes letzter Nachmittag in Berlin war, wollte Maria ihr noch etwas mitgeben, dass sie später immer wieder an Berlin erinnern würde. Zuerst wusste Maria nicht so recht was, aber nach einer Weile beschloss sie, Auguste zu zeigen, wie man eine Marzipantorte machte. Denn Königsberg war nicht weit von Masuren entfernt und so würde Auguste sicher irgendwie an Marzipan kommen können. Auguste war sofort begeistert. So ein feines Gebäck hatte sie noch nie gegessen. Sie hatte schon ein paar Mal an speziellen Anlässen solche Torten gesehen, aber da hatte es immer geheissen, das sei nichts für Kinder. Nun würde sie das erste Mal selbst so eine Köstlichkeit herstellen lernen. Und dann würde sie sicher auch etwas davon essen dürfen. Wie herrlich! Schon auf dem Heimweg vom Krankenhaus konnte Auguste vor Vorfreude kaum stillsitzen. Als sie dann in dem grossen Lebensmittel Geschäft standen, das so gross war, wie Auguste es noch nie in ihrem Leben gesehen hatte, da hüpfte ihr Herz wie ein Pingpongball und sie hätte schreien und tanzen können. Doch sie nahm sich zusammen und genoss es, die herrlichen und kostbaren Auslagen in dem Geschäft zu betrachten. Es gab neben Mehl und Zucker und Brot und allerlei Gemüsen und Früchten und sonstigem alltäglichen auch eine Ecke mit Kolonialwaren. Die war für Auguste besonders spannend. Denn bis nach Masuren kamen selten exotische Früchte und Waren. Höchstens einmal an Weihnachten gab es eine Orange oder eine Tafel Schokolade. Hier im Geschäft war alles gleich Kiloweise aufgetürmt. Die Verlockung ein kleines Stückchen mitgehen zu lassen war gross. Denn es würde ja sowieso niemand merken, dachte Auguste. Doch sie tat es nicht. Denn sie hätte sich gegenüber Maria sehr geschämt, falls es doch jemand bemerkt hätte.
Noch bevor Auguste richtig aus dem Staunen herausgekommen war, hatte Maria ihre Einkäufe schon erledigt und eilte schon in Richtung Ausgang. Erst draussen merkte Maria, dass Auguste wohl noch im Laden sein musst, drehte sich nocheinmal um und rief ungeduldig nach ihr. Wenn sie nach dem Tortebacken auch noch etwas Zeit zum Spielen und Erzählen haben wollten, dann mussten sie sich beeilen.
Das Backen der Torte nahm wirklich fast den ganzen Nachmittag in Anspruch. Denn Auguste wollte alles möglichst genau sehen, damit sie es zuhause nachahmen könnte. Sie schrieb sich jeden Fertigungsschritt schön säuberlich auf und malte auch noch Skizzen dazu, damit sie sich auf jeden Fall wieder erinnern könnte. Doch die beiden schafften es trotzdem rechtzeitig zur Kafffetrinkzeit eine Torte dahergezaubert zu haben. Genüsslich tranken sie dann Kaffe und assen Torte. Auguste schlug mächtig zu und verdrückte 3 Stück. Soviel hatte sie noch nie in ihrem Leben gegessen, aber es schmeckte einfach zu lecker.
Während sie so assen, begann Maria von ihrer Oma zu erzählen. Sie holte auch alte Fotos, welche Auguste bestaunte. Und je mehr sie im Gespräch vertieft waren, desto mehr erfuhr Auguste über diese Oma. Plötzlich kam Maria auf die Idee, dass ihre Oma ihr ja eine Geheimtruhe vermacht hatte. In dieser Truhe befand sich allerlei kleinkram aber auch einige Dinge, aus denen Maria nie ganz schlau geworden war. Auguste wollte diese Truhe unbedingt sehen und so begaben sich Maria und Auguste auf den Dachboden, um nach dieser Truhe zu suchen.
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1 Kommentar:
Eine schöne Geschichte! Ich werde sie weiter lesen und versuche auch ein bisschen Zeit haben, um das Bild von Opa und Auguste am Bahnhof zu denken (ich habe jetzt einen neuen, guten Arbeitsplatz bekommen und sollte dafur vielerlei machen).
Viele Grusse,
Juha!
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