Auguste konnte es kaum erwarten. Kaum hatte sie fertig gegessen verabschiedete sie sich von Maria und wünschte gute Nacht. Maria war sichtlich enttäuscht, hatte sie doch gehofft, einen vergnüglichen Abend mit dem Mädchen aus Masuren zu verbringen. Denn diese Mädchen konnte so wunderbar von ihrer Heimat erzählen und Maria konnte so, ohne einen Zug zu nehmen in dieses ferne Masuren reisen. Zusammen mit Auguste wanderte sie durch Dörfer und Wälder, über Wiesen, Felder und Kuhweiden. Und ganz besonders liebte sie den knutschblauen Himmel und die wunderschönen weissen Schäfchenwolken. Sogar das Geräusch, wenn der Wind durch die Roggenfelder strich konnte sie sich schon lebhaft vorstellen, obwohl sie selbst noch nie auf dem Land gewesen war. Sie war in der Stadt mit den Vorgärten und Parks und mit vielen Büchern aufgewachsen. Doch die wilde Natur, wie Auguste sie beschreiben konnte, die kannte sie nicht. Und seit dieses Mädchen ihr so lebhaft von der Heimat erzählt hatte, packte Maria die Sehnsucht und sie konnte sich kaum satt hören an den Erzählungen und kaum satt träumen an den wunderschönen Bildern, die durch ihren Kopf zogen. Am liebsten würde sie auf dem Rücken eines Trakhener Hengstes zusammen mit Auguste im wilden Galop durch die tiefen, dunkel grünen Wälder reiten, in den vielen kleinen Seen baden und auch einmal einen Sumpf besuchen, von denen es in Masuren noch einige zu geben schien. Doch daraus wurde anscheinend nichts. Augustchen schien müde zu sein. Und nach all den vielen Eindrücken und Erlebnissen des heutigen Tages konnte Maria es ihr kaum verdenken. Also verbarg sie ihre Enttäuschung so gut es ging und wünschte Auguste eine gute Nacht, welche überraschend flink die Treppe hoch wieselte.
Auguste hatte die Enttäuschung Marias wohl bemerkt. Doch momentan war ihr das ganz egal. Sie wollte nur eines und zwar sich mit Harry unterhalten. Zurück in ihrem Zimmer vergewisserte sie sich, dass niemand ihr gefolgt war. Sie liess die Tür hinter sich ins Schloss fallen und flüsterte in das Zimmer hinein: "Harry, wo bist Du? Ich muss dringend mit Dir reden!" Aufmerksam horchte sie in den Raum. Doch es war nichts zu hören, noch etwas zu sehen. Auguste hatte mit allem gerechnet, doch nicht, damit, dass Harry nicht da sein könnte. Ernüchtert machte sie sich daran, wirklich ins Bett zu gehen. Während sie langsam ihr Pyjama anzog und ihre Zähne putzte, wusste sie noch nicht, wie gut sie daran tat. Keine 10 Minuten später, als sie gerade unter die Decke geschlüpft war, öffnete sich nocheinmal die Zimmertüre und Maria lugte herein. Befriedigt sah sie, dass Auguste schon im Bett war, wünschte ihr nocheinmal eine gute Nacht und stieg wieder in die Stube hinunter. Erlöst von der Anspannung des ganzen Tages und zufrieden darüber, dass sie Maria nicht etwas vorgespielt hatte und wirklich schon im Bett war, streckte sie sich aus und drückte ihren Kopf tief in das Kissen. Es wäre gar nicht auszudenken gewesen, was für Konsequenzen es möglicherweise hätte haben können, wenn Maria sie mit Harry schwatzend vorgefunden hätte.
Auguste war tatsächlich müde und döste vor sich hin. Der Schlaf wollte sie schon fast überwältigen, als sie gewahr wurde, dass Harry zum Fenster hinein kam. Er schien ein wenig betrunken zu sein, denn er torkelte ein wenig. Sofort war Auguste wieder hellwach und setzte sich im Bett auf. Harry begrüsste sie und wollte sich schon unter das Bett in sein eigenes Schlafgemach verziehen, als Augste ihn an der Hand packte und festhielt. "Geh nicht! Ich muss Dich noch etwas wichtiges fragen!" Doch durch die berührung mit Auguste war Harry wie zu Stein erstarrt. Erst nach einigen Augenblicken löste er sich wieder und verschwand so schnell er konnte unter dem Bett. Nach einer Weile kam seine rote Zipfelmütze wieder zum Vorschein und aus sicherer Entfernung fragte er Auguste, was sie ihn denn wichtiges fragen wollte. Froh darüber, dass Harry doch mit ihr zu reden schien, beschränkte sich Auguste zuerst auf eine Frage, anstatt Harry gleich über seine Familiengeschichte auszufragen. Viel wichtiger war es, ob Harry die Sprache der Trolle kannte. Also hielt sie ihm das Stück Papier unter die Nase, auf der ihr Olaf eine Botschaft geschrieben hatte. Zu ihrem Erstaunen las Harry das Geschriebene sofort vor: "Trolmands hus er hemlighed." Dann schaute er Auguste fragend an und erkundigte sich, was sie ihm damit sagen wollte. Die Hoffnung, dass Harry ihr weiterhelfen könnte, schwand sofort. "Weisst Du nicht, was da drauf steht?" fragte sie den Zwerg. Dieser schüttelte den Kopf. Er erkundigte sich, wer das geschrieben habe und warum Auguste ihm diesen Wisch unter die Nase hielt. Nachdem Auguste alles erzählt hatte, erklärte er sich bereit, bei seinen Bekannten zu fragen, ob jemand sich mit der Sprachwissenschaft auskenne. Auguste schrieb ihm eine Kopie der Nachricht von Olaf und dann legten sich beide schlafen. Heute konnte Auguste ruhig und schnell einschlafen. Zwar hatten schon zwei Wissenschaftler ihre Hilfe verweigert, doch einer würde evt. immer noch helfen und vielleicht würde sich eine weitere Tür öffnen, bevor alle geschlossen waren, wenn Harry jemanden ausfindig machen könnte, der Olaf verstehen würde.
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