Sonntag, 15. Februar 2009

Kapitel 28: Der Alltag beginnt

Beim Träumen blieb es allerdings. Denn bevor Auguste noch mehr sagen konnte, kam Augustes Mutter angelaufen. "Auguste! Wo bleibst Du denn? Du solltest schon lange ins Bett! Morgen musst Du wieder in die Schule! Der Lehrer wird Dich sicher rannehmen. Er ist im Sommer einmal vorbei gekommen und meinte, dass er Dich nicht in die nächste Klasse aufstegenlassen wollte. Ich konnte Ihn nur mit Mühe überreden. Jetzt musst Du ihm aber auch beweisen, dass Du wirklich so klug und fleissig bist, wie ich ihm gesagt habe. Du wirst einen Monat Zeit haben, um den verpassten Stoff aufzuholen. Und Deine Aufgaben auf dem Hof musst Du auch ausüben. Deine Schwestern wollen nicht länger zuschauen, dass Du als einzige fast nichts tun musst. Sie meinten, wenn Du gross genug bist, um in die Weite Welt zu reisen, dann bist Du auch gross genug um zu arbeiten." Auguste schaute die Mutter verwundert an. Von was sprach diese Frau? Ja die Schule, ach ja, daran hatte Auguste nicht mehr gedacht. Und arbeiten? Was für Arbeit denn?

Die Mutter drehte sich um und Auguste folgte ihr mit hängendem Kopf. Schnell winkte sie Olaf zu, der mitlerweile wieder unsichtbar war und gab Harry beim vorbeigehen einen Zwick, damit er auch mitkommen sollte. Die Mutter bemerkte beides und schaute verwundert ein paar mal um sich herum. Dann fragte sie Auguste, wem sie denn zugewunken hätte. Auguste überlegte kurz und sagte dann: "Ich habe meiner Kindheut zum Abschied gewunken." Da war die Mutter baff. "Wieso denn Deiner Kindheit?" Du bist doch schon lange in der Schule und dir war doch schon lange klar, dass Du nicht ewig nur herumspielen kannst."- "Ja, aber du hast gefragt, drum habe ich geantwortet." erwiederte Auguste. Sie plauderten noch eine Weile weiter, denn die Mutter schien doch etwas schockiert zu sein, dass ihre jüngste Tochter so plötzlich von ihrer Kindheit abschied zu nehmen schien, welcher sie doch schon spätestens mit ihrer grossen Reise entflohen war. Und es bedrückte sie auch, dass ihre Tochter dies so klar sagen konnte. Sie selbst hatte den Übergang von der Kindheit ins Jugendlichenalter und schliesslich ins Erwachsenendasein gar nicht bemerkt. Es war einfach gekommen. Und ohne dass sie etwas überlegt hatte, war sie immer wieder langsam in einer neuen Lebensphase gewesen. Jaja, ihre Tochter schien viel mehr ein Kopfmensch zu sein. Sie hatte wohl recht gehabt sie zu verteidigen und den Entschluss gefasst zu haben, für die Bildung ihrer jüngsten Tochter zu kämpfen. Zur Nacht küsste sie ihre Tochter auf die Stirn und sagte ihr, dass sie morgen pünklich an die Tür klopfen würde.

Auguste lag in ihrem Bett und konnte nicht einschlafen. Morgen würde sie ihre Schulkameraden wieder sehen und den Lehrer auch. Und warum hatte sich ihre Mutter so für sie eingesetzt und den Lehrer überredet, ihr eine Chance zu geben? Sie durfte ihre Mutter nicht enttäuschen.

Am nächsten morgen wurde sie durch das Klopfen ihrer Mutter geweckt. Sofort war sie hellwach sprang auf und machte sich in Windeseile bereit. Gierig schlang sie das Frühstück herunter, gab Harry einen kurzen von anderen unbemerkten Knuff, griff nach ihrem Ranzen und eilte los. Fröhlich singend hüpfte sie entlang ihres alten Schulweges. Vorbei an dem kleinen Wäldchen über das Brückchen über den kleinen Bach und hinein ins Dorf. Sie schaute auf die Kirchenuhr. Sie war viel zu früh. Also beschloss sie, noch schnell in die Kirche zu gehen. Dort war sie ja auch schon lange nicht mehr gewesen. Dann, nach einem kurzen Dankesgebet, dass sie unbeschadet von der Reise zurückgekommen war, macht sie sich auf zum Lehrer. Da das Klassenzimmer noch nicht geöffnet war, klopfte sie an der Wohnungstür des Lehrers. Er öffnete ihr erfreut und bat sie herein. Zuerst fragte er sie bis ins kleinste Detail über die Reise und über Berlin aus. Er selbst war noch nie dort gewesen und war deshalb besonders neugierig. Gespannt hörte er ihren Erzählungen zu sah dann auf die Uhr und unterbrach sie. "Kannst Du nicht nach der Schule nocheinmal zu mir kommen und mir alles weitererzählen? Dann kann ich Dir auch helfen, den verpassten Schulstoff nachzuholen. Aber jetzt müssen wir gehen."

Im Unterricht gab sich Auguste alle erdenkliche Mühe, zu fogen und konzentriert mitzuarbeiten. Aber es wollte ihr nicht so recht gelingen. Immer wieder dachte sie an Olaf, Harry, den Stein und natürlich an ihre Reise. Dieses kleine schäbige Schulzimmer und dieser verstaubte Lehrer kamen ihr so unreal und unwichtig vor, dass sie am liebsten davon gelaufen wäre. Was konnte ihr schon ein Mann erzählen, der noch nie weiter weg gewesen war, als in der Bezirkshauptstadt? Nicht einmal in Olsztyn /Allenstein wer er schon gewesen. Das hatte er ihr soeben verraten. Und die Sagen der Germanen kannte er auch nicht. Das hatte sie auch gemerkt, als sie bei ihren Erzählungen von einer dieser Sagenfiguren erzählt hatte, um die Erläuterungen des Professors von Berlin etwas auszuschmücken. Dieser Mann würde sie nicht weiterbringen.

Während dieser vier Unterrrichtstunden fasste Auguste einen Entschluss für ihr Leben. Sie würde so schnell wie möglich das gesammte Wissen des Lehrers aufsaugen, damit sie so schnell wie möglich in die Provinzhauptstadt an eine weiterführende Schule könnte. Dort würde sie vielleicht auch wirklich interessante Dinge lernen können.

Nach dem Unterricht ging sie mit dem Lehrer in die Wohnung und wurde gleich zum Mittagessen eingeladen. Sie unterhielten sich und der Lehrer begann auch gleich mit dem Nachhilfe Unterricht. Draussen begann es schon zu dämmern. Auguste wurde langsam unruhig, denn sie wollte nach Hause. Das merkte der Lehrer. Trotz der vorgerückten Stunde gab er ihr viele Hausaufgaben mit. Unter der Last der Bücher konnte Auguste den Heimweg nicht wie gewohnt zurückhüpfen, sondern sie schleppte sich mühsam ab.

So vor sich hinkeuchend merkte sie, wie ihre Bücher plötzlich leichter wurden. Zwar sah sie niemanden aber intuitiv wusste sie, dass Olaf ihr half. Erfreut begrüsste sie ihn. Er blieb unsichtbar, doch gab sich durch eine Antwort zu erkennen. Sie plauderten so gut es ging und er lud sie für Sonntag Nachmittag zum Kaffetrinken zu sich in die Hütte ein. Auguste freute sich, sagte ihm aber auch, dass es wahrscheinlich schwierig werden würde. Denn Sonntagvormittag gingen sie mit der ganzen Familie in die Kirche, wo sich das ganze Dorf traf. Das hiess, dass es nach der Kirche noch ein wildes Geschnatter gab und wenn sich die Leute langsam vertstreuten, dann hiess es noch Kaffetrinken auf dem Hof. Meist kam noch Besuch und dann würde es besonders schwierig werden, sich davon zu schleichen. Aber sie versprach, dass sie sich alle Mühe geben würde.

Sie plauderten weiter und weiter, bis sie am Hof ankamen. Olaf verabschiedete sich und Auguste bog in den Hof ab, wo sie schon von ihrer grossen Schwester Henriette erwartet wurde, welche ihr mitteilte, dass sie ihre gesammte Arbeit für heute noch nicht er ledigt hätte! "Welche Arbeit?" fragte Auguste? Ihr war zwar mitgeteilt worden, dass sie mehr mit anpacken sollte, aber konkret hatte sich noch niemand geäussert. Das merkte jetzt auch Henriette und darum beschloss sie mit Auguste vor dem Arbeitsessen noch einen genauen Arbeitsplan auszuarbeiten.

Keine Kommentare: