Sonntag, 27. April 2008

Kapitel 4: Verständigungsprobleme

Noch bevor Opa und Auguste es erwartet hatten, wurde die Tür aufgerissen. Und da staunte auch der Opa. Die schweren Schritte hatten ein grosses, kräftiges Wesen vermuten lassen. Aber vor ihnen in der Türe stand ein kleines, zart gebautes Männchen mit einer Knubbelnase. Aber nicht nur Opa und Auguste waren erschrocken, sondern das Männchen auch. Es hatte wohl jemand anderen erwartet. Mit einem ängstlichen Blick wich es zwei Schritte zurück und fragte Opa und Auguste etwas, dass sie nicht verstehen konnten. Immer wieder wiederholte es den fragenden Satz: " kya chhate hai?" Es entstand eine gegenseitige Verwirrung. Denn sowohl der Troll merkte, dass ihn die zwei Gäste nicht verstanden, als auch Opa und Auguste merkten, dass sie sich gar nicht überlegt hatten, wie sie mit den Trollen kommunizieren sollten.

Der Opa überlegte fieberhaft, ob er schon irgendwo einmal gehört hatte, welche Sprache Trolle sprechen würden und wie man sich mit ihnen verständigen sollte. Während er noch hirnte und die letzten Ecken seines Gedächtnis durchforschte, hatte Auguste schon eine zündende Idee. Sie war der Meinung, dass man dem Troll zuallererst klarmachen sollte, dass sie in friedlicher Absicht gekommen waren. Um dies darzustellen holte sie ein weisses Taschentuch heraus und schwenkte es hin und her. Denn vor einigen Tagen hatte sie in der Schule gelernt, dass in Kriegen die weisse Fahne das symbol für Frieden war. Sie konnte aber nicht wissen, dass in der Welt der Trolle eine weisse Fahne etwas ganz anderes symbolisierte. Sie war nämlich das Zeichen für Tod. So war es auch wenig erstaunlich, dass der Troll entsetzt die Augen aufriss und ihnen die Türe vor der Nase zuknallte.

Verdutzt schauten sich Opa und Auguste an. Was war das? Was hatte der Troll wohl verstanden? Wollte er keinen Frieden mit ihnen, oder hatten sie ihm etwas anderes signalisiert? Nun war es wohl unmöglich, dass Opa und Auguste hätten herausfinden könnnen was eine weisse Fahne bei den Trollen bedeutet. Aber nach einer kurzen Diskussion für die sie sich vorsichtshalber in das Wäldchen zurückgezogen hatten, kamen sie zum Schluss, dass weiss oder zumindest ein weisses Taschentuch für Trolle eine schlimme Bedeutung haben müsse. Sie sahen ein, dass sie momentan nicht viel machen könnten, bevor sie nicht mehr über Trolle und deren Sprache wussten, sodass sie langsam den Rückweg nach Hause antraten. Sowohl Opa, als auch Auguste hatten sich vorgenommen, in allen ihnen möglichen Quellen nach Hindweisen über Trolle nachzuforschen.

Unterdessen hatte sich das Trollmännchen im Häuschen auf die Bank vor dem Fenster gesetzt. Und beobachtete, wie die Fremden von dannen zogen. Er war froh, dass seine Frau nicht hiergewesen war. Sie hätte furchtbare Angst bekommen. Und plötzlich durchfuhr es ihn, als ob er vom Blitz getroffen worden war. Wo war eigentlich seine Frau so lange? Sie hätte schon lange vom Beerensammeln zurücksein sollen. Hatten die Fremden sie womöglich gefunden und sie war jetzt tot? Hatten sie ihm sagen wollen, dass er nicht auf seine Frau zu warten brauche? Waren sie womöglich gar nicht in böser Absicht gekommen, ihm den Tod zu erklären? Doch was hätte seiner Frau geschehen können? War sie vielleicht vom Bär angegriffen worden? Oder von einem Rudel Wölfe, die hier in Masuren noch häufig zu sehen waren? Oder war sie einem Elchweibchen mit Jungen zu nahe gekommen? Er fing sich an schreckliche Sorgen zu machen. Er selbst kannte sich in der Natur, wie sie hierzulande zu finden war aus, denn sie war jener seiner Heimatgegend nicht unähnlich. Doch seine indische Frau hatte bis vor kurzem in einem ganz anderen Umfeld gelebt. Zwar gab es bei ihr Zuhause auch Bären, Tiger Elefanten und Wölfe, doch wer weiss, vielleicht verhielten sie sich hier anders, als bei ihnen. Denn er konnte sich noch gut erinnern, wie seine Frau Asha einmal, er hatte sie erst frisch kennegelernt, einen jungen Wasserbüffel vor einem Tiger beschützte. Todesmutig mit einem grimmigen Blick und einem Ast in der Hand war sie zwischen den Büffel und den Tiger gestürzt und hatte es tatsächlich geschafft, ohne jegliche Verletzungen, den Angreiffer zu verjagen. Doch er bezweifelte, dass ihr das mit den heimischen Raubtieren gelingen würde, da diese gewohnt waren, dass die Menschen Angst vor ihnen hatten und sich wohl nicht so einfach vertreiben liessen.

Unruhig vor Sorge verliess er das Haus. Zuerst lief er laut rufend in die Richtung, in der er Asha vermutete. Doch er konnte sie nicht finden und es begann schon zu dämmern. Kurzentschlossen kehrte er um und folgte den Fremden. Glücklicherweise wusste er, wo sie wohnten, denn er war dem Mädchen (wir wissen, dass sie Auguste heisst) am Tage ihrer ersten Begegnung heimlich gefolgt und hatte auch gesehen, dass man über einen Baum gut zu ihr ins Zimmer kam, ohne von den übrigen Hausbewohnern bemerkt zu werden. Und ausserdem konnte er sich unsichtbar machen, was sein Vorhaben noch erleichtern würde. Leise kletterte er über den nicht allzudicken Ast des Baumes. Doch der Baum konnte ihn ohne Probleme tragen, denn er wog weniger als ein kleines Schulmädchen.

Doch als er beim Fenster ankam, stellte er fest, dass er sich gar nicht überlegt hatte, dass vielleicht nicht nur das Mädchen im Zimmer sein würde und falls dies der Fall war, wie er überhaupt mit ihr kommunizieren wollte. Denn seine Sprache sprachen sie nicht, dass stand fest. Und unglücklicher Weise konnte er sich nur noch Bruchstückhaft an die Sprache erinnern, die man bei ihnen zuhause sprach. Denn seit er das letzte Mal dort gewesen war, mussten mindestens 20 Sommer vergangen sein. Er überlegte und kam zum Schluss, dass es wohl das Beste sei, seine Frau auf ein Stück Papier zu zeichnen. Falls dieses Mädchen ihm mit der weissen Fahne wirklich hatte bedeuten wollen, dass sie seine Frau tot aufgefunden hatte, würde sie das schon verstehen.

Mit der fertigen Zeichnung in der Hand wartete er darauf, bis Auguste das Zimmer betrat. Endlich öffnete sich eine Tür und ein Mädchen kam herein. Doch es war nicht Auguste, es war ein etwas grösseres Mädchen, welches ihr sehr ähnelte. Das muss eine Schwester sein, dachte sich das Männchen und war nun froh, dass es sich entschieden hatte, sich unsichtbar zu machen. Er wartete und wartete. Doch von Auguste war keine Spur. Gerade als er gehen wollte, wurde er für seine Geduld belohnt und sie betrat das Zimmer. Leise klopfte er ans Fenster. Auguste hatte etwas gehört, war sich dessen aber nicht ganz sicher und dachte, sie hätte es sich wohl nur eingebildet. Das Trollmännchen klopfte erneut, diesmal etwas lauter. Nun war sich Auguste sicher, da draussen verbarg sich etwas. War es wohl wieder das unsichtige Wesen, das sie gehört hatte, als sie zu dem Trollmännchen hatte schleichen wollen. Sie hatte riesige Angst und wusste nicht recht, was sie machen sollte. Der Troll, der immer noch unsichtbar war, hielt das von ihm gemalte Bild an die Scheibe. Auguste trat näher und erkannte eine Frau. Es war eine schöne Frau. Sie hatte lange schwarze Haare und trug goldene Ohrringe. Allerdings, dachte Auguste, war der Zeichner wohl nicht so geschickt, denn die Frau hatte eine grosse Knubbelnase, was ihr schönes Aussehen ein wenig zerstörte.

Was will mir das Wesen da draussen wohl sagen? Soll die Frau wohl ich sein? Auguste hatte zwar keine schwarzen Haare, sondern eigentlich dunkel blonde, aber es konnte ja sein, dass dem Wesen keine anderen Farben zum Zeichnen zur Verfügung gestanden hatten. Oder war es ganz jemand anders? Wieso malte es eine solche Knubbelnase? Wollte es drohen, ihr Gesicht zu verstellen? Erschreckt wich sie zurück und rannte durchs ganz Haus zu ihrem Opa um ihn um seine Meinung zu fragen.

Der Troll wusste nicht, wie er dieses Verhalten zu deuten hatte. Er wartete noch eine Weile, aber als nichts mehr geschah machte er sich auf den Heimweg. Denn im Haus begann es langsam dunkel zu werden. Das heisst, die Leute gingen wohl alle langsam ins Bett und er würde vor morgen sicher keine Antwort bekommen. Müde und traurig schlurfte er nach Hause und bemerkte so nicht, dass nicht überall das Licht ausgegangen war. Aus einem Fenster konnte man noch deutlich den Schein einiger Kerzen wahrnehmen und Schatten zweier personen erkennen.

Als der Troll zuhause ankam begrüsste ihn seine Frau stürmisch. "Olaf kahan hua?!" (Olaf wo bist du gewesen?!) Er erschrak, war das wirklich seine Frau? Wie hatte er sich so in etwas hineinsteigern können und annehmen können sie sei gestorben, nur weil zwei Fremde mit einer weissen Fahne gekommen waren? Er lachte über seine Naivität und feierte erleichtert mit das Wiedersehen mit Asha.

Unterdessen diskutierten der Opa und Auguste immer noch. Auguste hätte schon längst im Bett sein sollen, doch sie war so aufgewühlt und ängstlich, dass alles Zureden des Opas sie nicht beruhigen konnte. Und schliesslich konnte auch der Opa die Zeichnung nicht richtig deuten und machte sich insgeheim Sorgen, was dieses unbekannte, durchsichtige Wesen wohl damit sagen wollte. Denn weder Opa, noch Auguste hatten bis jetzt eine Verbindung zwischen dem Troll und dem durchsichtigen Wesen herstellen können.

2 Kommentare:

Juha V. Mentu hat gesagt…

Es ist eine grosse Schade, dass sie nicht einander verstehen können!

Eine schöne Geschichte - bitte, weiter erzählen!

Juha

jeroschka hat gesagt…

hallo juha, es freut mich wirklich, dass du immer noch meine geschichte liest. bist du finne? woher kannst du denn so gut deutsch? fortsetzung wird wieder am wochenende folgen, dann habe ich am meisten zeit. liebe grüsse jeroschka