Am nächsten Morgen fand Auguste den Zettel auf den Olaf geschrieben hatte. Aufgeregt rannte sie damit zum Opa. Doch dieser konnte ihn auch nicht lesen. Aber immerhin. jetzt hatten sie schon mehrere Indizien für die Sprache. Zum einen hatten sie die Wörter, die sie bei der Begrüssung aufgeschnappt hatten, und zum anderen hatten sie den Brief des Trolls. Um herauszufinden, was das hiesse, meinte Opa, dass sie wohl am besten einen Sprachprofessor fragen würden. Bei ihnen auf dem Dorf gab es keinen. Sie müssten wohl in die grosse Stadt fahren. Doch wie würden sie nur gegenüber den anderen begründen können, dass sie in die grosse Stadt fahren wollten? Opa war während seines langen Lebens vielleicht 3 oder 4 Mal dort gewesen. Wenn wichtige Besorgungen zu machen waren, genügte meist die Bezirkshauptstadt. Dort gab es aber keine Universität, weshalb sie für Augustes und Opas Vorhaben zu provinziell war. Sie brauchten eine grosse Universtität, an der auch Sprachwissenschaften unterrichtet wurde. Sie müssten mindestens nach Allenstein / Olsztyn fahren. Aber vielleicht wäre die dortige Universität zu klein und sie müssten sogar bis nach Berlin!
Auguste wurde bei dem Gedanken an die bevorstehende Reise ganz aufgeregt. Noch nie war sie weiter als bis zum Dorf gekommen. Sie würde das erste Mal in ihrem Leben eine grosse Reise unternehmen. Doch wie würden sie es nur anstellen, dass die anderen sie ohne Argwohn ziehen liessen? Das Geld war nicht das Problem, denn Opa hatte ein wenig auf die Seite gelegt. Er war fromm und trank nicht viel, weshalb er sein Trinkgeld immer schön zur Seite gelegt hatte. Viel schwieriger war es, dem Lehrer zu erklären, warum Auguste frei bekommen müsse und den Eltern und Schwestern beizubringen, dass Auguste und Opa unbedingt in die grosse Stadt fahren müssten, ohne dass diese dachten, sie seien irr geworden. Denn an Trolle glaubte natürlich keiner von ihnen und schon gar nicht an Botschaften in fremden Sprachen, die niemand verstand. Sie würden behaupten, Auguste hätte einfach ein paar Buchstaben zufällig aneinander gereit. Und in der Tat war dieser Gedanke gar nicht so abwägig. Denn die Handschrift des Trolls war sehr ungelenkig und glich jener einer Erstklässlerin sehr.
Da heute Samstag war, musste Auguste nicht in die Schule. Dafür musste sie aber ordentlich auf dem Hof mithelfen. So blieb ihr nicht viel Zeit um nachzudenken. Schon nach ein paar Minuten, die sie in Opas Zimmer verbracht hatte, wurde sie von der Mutter zum Frühstück gerufen, damit sie bald mit den ihr auferlegten Arbeiten anfangen konnte. Da hatte es der Opa besser. Er war zwar nicht vollkommen von der Arbeit befreit, aber da er schon alt und nicht mehr so stark war, liess man ihn in seinem Tempo arbeiten und hetzte ihn nicht. Er bekam sowieso immer Arbeiten zugeteilt, die nicht dringend waren.
Nach dem Frühstück sollte Auguste Kühehüten gehen. Der Zufall wollte es, dass sie die Kühe heute zu der Wiese in der Nähe des Flüsschens und des Wäldchens führen sollte. Sie nahm den Hofhund mit, denn in der Herde befand sich auch ein Stier und vor dem hatte Auguste grosse Angst. Einmal, dass war letzten Sommer gewesen, hatte sie den Stier nachhause rufen wollen und da war er wütend geworden, hatte sie auf seine Hörner gehoben und in weitem Bogen weggeschleudert. Sie hatte grosses Glück gehabt und sich nicht verletzt und zum Glück war ihr grosser Bruder gerade vorbeigekommen und konnte die Gefahr dämpfen. Jetzt trug der Stier einen Ring und Auguste hatte eine Stange, mit dem sie den Ring packen konnte und sich den Stier vom Leibe halten konnte. Aber mit ihrem jungen Alter war sie viel zu schwach. Da war es gut, dass der Hund sie verteidigte und der Stier ein wenig Respekt vor ihr hatte.
Während sie so beschäftig damit war, auf die Kühe aufzupassen und gebührenden Abstand vom Stier zu halten, sass sie unter einem Baum im Schatten. Plötzlich hörte sie neben sich einige unverständliche Laute. Olaf hatte sie gesehen und war herangeeilt. Er hatte gedacht, sie sei gekommen, um ihm auf die Nachricht zu antworten. Er hatte das Buch von Ulf mitgebracht und sagte nun einige Sätze daraus. Auguste sah ihn mit grossen Augen an. Sie verstand kein Wort, doch sie merkte schnell, dass er ihr freundlich gesinnt war. Olaf merkte schnell, dass Auguste auch die Sprache, die Ulf niedergeschrieben hatte, nicht verstand. Resignierend setzte er sich neben sie in den Schatten des Baumes. Eine Weile sassen sie so beisammen, jeder seinen Gedanken nachsinnend. Dann machte Auguste einen Verständigungsversuch. Sie konnte sich noch schwach an ihre Urgrossmutter erinnern. Diese war taub gewesen. Und wenn man ihr etwas hatte mitteilen wollen, so musste man dies mit Zeichen tun. Da Auguste als kleines Kind oft von ihr gehütet worden war, hatte sie einige Übung mit Zeichensprache. Und sie dachte, was die Urgrossmutter verstanden hatte, würde der Troll vielleicht auch verstehen.
Zögerlich deutete sie auf sich und sagte Auguste. Der Troll schaute sie verwirrt an. Sie wiederholte das ganze und zeigte dann auf den Troll und setzte einen möglichst fragenden Gesichtsausdruck auf. Nach einer Weile hellte sich das Gesicht des Trolls auf und er zeigte auf sich und sagte Olaf, zeigte auf Auguste und sagte Auguste. Beide strahlten vor Freude, dass ihnen eine einfache Verständigung gelungen war und sie nun wussten, wie der andere hiess. Auguste nahm einen weiteren Anlauf, zeigte auf sich und streckte 7 Finger in die Höhe. Das war jedoch nicht mehr so unmissverständlich. Konnte doch dies eine Menge bedeuten. Es konnte heissen, ich habe sieben Geschwister, oder ich bin sieben Jahre alt, oder ich wohne im Haus Nummer sieben, sie habe sieben erdbeeren gegessen oder vieles mehr. So verstand Olaf auch nicht auf Anhieb, was Auguste ihm sagen wollte und antwortete nicht. So sassen sie wieder eine Weile nebeneinander, bis sich der Abend näherte. Nun musste Auguste die Kühe zusammentreiben, um rechtzeitig zum Melken auf den Hof zurückzukehren. Sie verabschiedete sich von Olaf, in dem sie ihm mit Zeichen bedeutete, dass sie gehen müsse. Er verstand und half ihr sogar die Kühe zusammenzutreiben. Ein Stückchen begleitete er sie noch schweigend und dann verabschiedete er sich von Ihr und ging zurück in Richtung seiner Hütte.
Dieser ersten harmonischen Begegnung zwischen Olaf und Auguste sollten noch viele weitere folgen. Zusammen würden sie viel erleben. Doch damals wussten weder Auguste noch Olaf dies. Ein wenig traurig, dass sie sich nicht besser hatten verständigen können, kehrte Auguste heim. In ihr reifte der Entschluss, dass es extrem wichtig war, in die Stadt zu fahren, um herauszufinden, in welcher Sprache sie mit Olaf reden könne. Vielleicht gibt es ja sogar ein Wörterbuch seiner Sprache und die Kommunikation würde viel einfacher fallen.
Bevor sie ins Bett ging, schlich sie sich nocheinmal zu Opa ins Zimmer und berichtete ihm von ihrer Begegnung mit Olaf heute. Opa horchte auf und holte seinen Notizzettel. Und tatsächlich, eines der von ihm aufgeschriebenen Wörte war tatsächlich Olaf. Vielleicht würde es ihm jetzt gelingen die Aussage zu übersetzen? Voller Hoffnung ging Auguste zu Bett. Sie war erfüllt von der wagen Ahnung kommender Abenteuer, die sie mit Opa und/ oder Olaf erleben würde. Was würde der nächste Tag bringen?
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1 Kommentar:
Solche Völker, die nicht ziemlich gut einander kennen, können vielerlei falsche Gedanken an einander haben. Die erste Sache ist, den Anderen aufpassen zu versuchen. Nicht so leicht fur uns, Menschen...
Gruesse,
Juha
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