Am nächsten Morgen war Auguste ungewöhnlich früh auf dem Weg zur Schule, denn sie wollte unbedingt mit dem Lehrer sprechen, bevor die anderen Kinder kommen würden. So wollte sie unnötige Fragereien vermeiden. Denn sie konnte den anderen Kindern ja schlecht erzählen, dass sie nach Berlin fahren würden, um die Sprache eines Trolles zu entziffern. Das musste unter allen Umständen geheim bleiben. Klar, sie könnte die gleiche Ausrede verwenden, wie der Opa das bereits Zuhause getan hatte, aber Kinder tendieren dazu viel mehr nachzufragen. Und dann würde vielleicht irgendjemandem etwas auffallen. Also besser erst gar kein Risiko eingehen.
Doch aus ihrem Unternehmen wurde nichts. Auf dem Weg zur Schule traf sie unverhofft auf Olaf. Es schien, als habe er auf Auguste gewartet. Sie freute sich, da sie aber keine Möglichkeit sah, sich zu verständigen, wollte sie winkend weitereilen. Doch Olaf hatte sich fest vorgenommen, mit dem Mädchen in Kontakt zu kommen. Seit ihrer letzten Begegnung hatte er viel nachgedacht. Er hatte, als er von der Begegnung beim Kühehüten nach Hause gekommen war, seiner Frau mitgeteilt, dass er nun endlich herausgefunden habe, dass dieses Mädchen Auguste hiess. Und auch, dass Auguste die Sprache der Menschen, welche Ulf vor vielen Jahren aufgeschrieben hatte, leider nicht beherrschte. Lange hatten er und seine Frau diskutiert, was sie wohl unternehmen sollten. Da Olaf meinte, dass Auguste ihnen wohl freundlich gesinnt war und Asha, seine Frau, sehr um die eigene Sicherheit besorgt war, schien es wichtig, dass sie Auguste unbedingt zur Freundin gewinnen müssten. Denn schliesslich wussten Auguste und der alte Mann wo sie wohnten. Noch nie zuvor war ein Mensch so nahe zu ihrer Hütte gekommen und hatte sie beobachtet. Und wer weiss, wenn Auguste anderen Menschen von ihrer Existenz erzählen würde, so würden vielleicht böse Menschen kommen und ihr Heim zerstören. Deshalb war es nun Olafs Auftrag, Auguste irgendwie verständlich zu machen, dass sie niemandem vom Trollhäuschen erzählen durfte. Da er Auguste schon eine Weile beobachtet hatte, wusste er, dass sie morgens in Richtung des Dörfchens ging. Die beste Gelegenheit, um sie abzupassen.
Sicherheitshalber hatte Olaf auf einen Zettel die Worte "Trolmands hus er en hemlighed" (das Trollhaus ist ein Geheimnis) geschrieben. Diesen Zettel reichter er nun Auguste, obwohl er wusste, dass sie ihn nicht verstehen würde. Aber so würde sie merken, dass er ihr etwas sagen wollte. Und so war es auch. Auguste freute sich über die Nachricht. Nun hatten sie schon mehr Schriftstücke, die sie entziffern konnten. Langsam würde sich die Reise nach Berlin lohnen. Mit Zeichen bedeutete Auguste Olaf, dass sie nicht verstand, was da stand. Nun begann Olaf zu zeichnen. Er zeichnete ein Haus und dann zeichnete er zwei sich unterhaltende Strichmännchen. Diese strich er durch. Auguste verstand Bahnhof. Das einzige, was sie daraus deuten konnte, war "Ein Haus in dem zwei Menschen waren und nun nicht mehr dort sind." Oder meinte Olaf mit den Strichmännchen wohl Trolle? Hiess das, dass er sich von ihr verabschieden wollte, weil sie weggehen würden? Oh nein, das durfte nicht sein! Aufgeregt malte Auguste ihrerseits zwei Strichtrollmännchen in den Boden und einen langen Pfeil der wegzeigte. Diesen strich sie einergisch durch. Nun war es der Troll, der nicht verstand. Auguste schaute auf die Uhr. Nun musste sie sich beeilen, um nicht zu spät zu kommen. Mit einem freundlichen Lächeln verabschiedete sie sich von Olaf und eilte in die Schule. Sie drehte sich nocheinmal um und winkte. Olaf winkte zurück. Hatte sie verstanden um was es ging? Er konnte sich nicht sichersein. Aber nun war er sich ganz sicher, dass er vor Auguste keine Angst zu haben brauchte.
Auguste erreichte die Schule knapp bevor der Unterricht begann. Sie konnte nicht einmal daran denken, den Lehrer über Berlin und den Weg dorthin auszufragen. Enttäuscht setzte sie sich auf ihren Platz und wartete geduldig, bis der Unterricht zuende war. Nach der Schule schlich sie sich heimlich zum Lehrer, anstatt wie üblich gleich nach Hause zu eilen. Sie fragte ihn, ob er wüsste, wie man am besten nach Berlin komme. Erstaunt blickte er sie an und fragte, warum sie denn das wissen wolle. Sie erzählte ihm, dass sie ihren Opa nach Berlin begleiten würde und wohl nächste Woche und vielleicht auch übernächste Woche nicht zur Schule kommen könnte. Der Lehrer gestand ihr, dass er selbst noch nie weiter als bis Allenstein/Olsztyn gekommen sei. Aber er versprach ihr, dass die Reise von hier bis Olsztyn sehr abenteuerlich werden würde. Er war mit der Kutsche bis nach Lyck/Elk gefahren und von Dort gab es einen direkten Zug nach Olsztyn. Während er so erzählte, begannen seine Augen zu leuchten. Wie gerne würde er selbst eine Reise nach Berlin unternehmen. Doch dafür reichte das spärliche Lehrereinkommen nicht.
Da ihr der Leher nicht wirklich weiterhelfen konnte, hüpfte Auguste glücklich nach Hause. Nur noch 7 Tage und dann beginnt die grosse Reise! Am liebsten wäre es Auguste, wenn schon Sonntag wäre. Zuhause begann sie sofort mit der Planung, was sie alles mitnehmen müsste. Dabei vergass sie vollkommen, dass sie noch den Zettel von Olaf in der Jackentasche hatte. Die Jacke hatte sie in der Garderobe aufgehängt. Eine Magd sah den Zettel aus der Tasche lugen und schlich sich neugierig heran, um zu sehen, was da wohl in der Tasche steckte. Doch was war dass? Als sie das zusammengefalltete Stück Papier öffnete, konnte sie nur ein gekrakel sehen, jedoch nicht verstehen, was die seltsamen Worte bedeuten sollten. Was war das nur für eine Sprache? Und wieso trug Auguste Schriftstücke in einer fremden Sprache mit sich herum? Da sie ein wenig eifersüchtig auf Auguste war, da diese nach Berlin fahren durfte und sie wohl nie in ihrem Leben dorthin kommen würde, beschloss sie, Auguste bei der Mutter zu verraten. Vielleicht würde die Mutter Auguste dann zuhause behalten und sie selbst könnte den Opa begleiten? Gedacht, getan. Sofort machte sich die Magd auf die Suche nach der Mutter.
(Fortsetzung folgt erst am 15.6.08, da ich jetzt 14 Tage ausser Land bin. Bis dann, liebe Grüsse Jeroschka)
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1 Kommentar:
Ich hoffe, dass keine Probleme ihre Reise verhindern werden! Und auch gute Reise fur Dich, Jeroschka! Ich warte, wie die Geschichte weitergeht!
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